Bibelessay zu Lukas 18, 1 – 8

Vor dem letzten Weg Jesu nach Jerusalem, vor seinem Sterben gibt Jesus seinen Anhängern und Freunden noch mit, was ihm wichtig ist.

In dieser Geschichte bringt er eine eigenartige Szene: Ein Richter, beschrieben als einer, der Gott nicht fürchtet und auf die Menschen keine Rücksicht nimmt, lebt zufällig in der gleichen Stadt wie eine Witwe, die diesen Richter braucht, bzw. brauchen würde. Sie kommt immer wieder zu ihm und fordert von ihm, dass er das tut, was seine Aufgabe ist, nämlich: Verschaff mir Recht gegen meinen Feind!

Im Rahmen der jüdisch-christlichen Bibel ist es Aufgabe der Richter, für Recht und Gerechtigkeit in allen Lebensbereichen zu sorgen. „Witwen und Waisen“ sind in der Bibel das Synonym für Menschen, die Unterstützung brauchen. Gott „fürchten“, also Gott respektieren und die Menschen respektieren, gehört in der Bibel zusammen.

Die Witwe braucht Hilfe, sie lässt sich nicht abwimmeln, sie bleibt bei ihrer Forderung. Und dann diese Aussage des Richters: „...ich will dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie lässt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.“ Das überrascht. Wenn der Richter weder Gott noch die Menschen fürchtet, ist es eigenartig, dass er die Witwe fürchtet, die zu den Schwächsten in der Gesellschaft gehört. Noch überraschender ist, dass diese Szene auf die Beziehung zu Gott übertragen wird.

Gott, so heißt es im Gleichnis, wird denen, die zu ihm rufen, Recht verschaffen – „unverzüglich, in kurzer Zeit“. Da halte ich inne, denn ich weiß von so vielen Menschen, die sich an Gott wenden in Verzweiflung und Not. Und die keine Veränderung erleben. Nicht selten scheint Gott still zu bleiben und nichts zum Besseren zu wenden. Es gibt keine smarte Auslegung, die diese Spannung einfach auflöst. Der Text bleibt herausfordernd, wenn es heißt: „Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, und für sie keinen langen Atem haben?“, so eine andere Übersetzung...

Egal wie der Text übersetzt wird, die Spannung bleibt. Vielleicht ist der Text schon zur Zeit der ersten Christinnen und Christen ein Aufruf gegen die Enttäuschung, gegen die Resignation. Das Gleichnis betont: Es ist richtig, wenn Glaubende von Gott fordern, wie die Witwe vom Richter fordert, dass er das tut, was seine Aufgabe ist. Nämlich den Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, die Menschen in ihrer Not zu hören. Und es ist richtig, das einzufordern, immer und immer wieder.

Das Gleichnis will, denke ich, wachrütteln. Es ist gut, von Gott nicht so zu denken wie von diesem Richter, auch wenn die Not oft so lange dauert und Hilfe auf sich warten lässt. Es ist gut, von Gott nicht zu denken, dass die Menschen Gott egal sind.

Und es ist gut, so hartnäckig zu bleiben wie diese Witwe. Dann mögen diese Worte ermutigen, unaufhörlich zu bitten, sich nicht zurückzuziehen, nicht zu resignieren, auch wenn die Hilfe, wenn die Veränderung nicht kommt… Der Text endet mit einer sogenannten Gemeindebildung: Werden die Menschen glauben, hebräisch „festhalten“ an der Hoffnung und am Vertrauen auf Gott?