"Amerikanisches Idyll": McGregors Regiedebüt

Mit der Romanverfilmung "Amerikanisches Idyll" wagt der britische Schauspieler und Hollywood-Star Ewan McGregor sein Regiedebüt. Die literarische Vorlage von Philip Roth handelt vom Zerbrechen einer Vorzeigefamilie in den aufstrebenden USA der Nachkriegszeit; 1998 wurde sie mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. In der Leinwandadaption spielt der Neo-Regisseur zugleich die Hauptrolle und überzeugt in beiden Funktionen.

Mädchen mit Blumen und Mann in einem Auto

TOBIS/Richard Foreman

Aufstieg und Fall des Vorzeige-Amerikaners

Schon in der High-School wird Seymour Levov, der Schwede, als bester Baseballspieler zum Helden, später übernimmt er vom Vater eine prestigeträchtige Handschuhfabrik, heiratet die bildhübsche Dawn, ehemals Miss New Jersey, und lebt mit ihr auf einer Farm am Rande der Kleinstadt.

Fertig ist das perfekte amerikanische Idyll der 1950er Jahre, das erstmals feine Risse bekommt, als sich herausstellt, dass die gemeinsame Tochter Merry stottert. Zunehmend unangepasst und aufmüpfig, schließt sich Merry rebellischen Gruppen an und revoltiert gegen die politischen Anschauungen der Eltern.

Sehenswertes Zerwürfnis mit der Beschaulichkeit

Als das Postamt in die Luft gesprengt wird und ein Todesopfer fordert, wird sie zur Hauptverdächtigen und taucht unter. Spätestens jetzt bricht die Idylle zusammen. Die Suche nach der verlorenen Tochter wird begleitet von Schuldzuweisungen und der Frage, was moralisch richtig und falsch ist im aufstrebenden Amerika der Nachkriegszeit.

Rund 50 Jahre umspannt Philip Roth im Porträt seines jüdisch-amerikanischen Jedermann Levov. McGregor reduziert die Handlungsstränge auf ein überschaubares, spielfilmtaugliches Maß und richtet den Fokus auf die Vater-Tochter-Beziehung, die ihn als vierfachen Vater am meisten gepackt habe, wie er erzählt.

Familie als Zerrspiegel politischer Umstände

Die aus dem Lot geratene kleine Familie wird im Film wie im Buch zum Spiegel der großen, nationalen Umwälzungen der Nixon-Ära rund um Rassenunruhen, Studentenrevolten und Proteste gegen den Vietnamkrieg. McGregor erweist sich bei seinem Regiedebüt als akribischer Re-Konstrukteur beider Lebenswelten - der großen wie der kleinen. Von den Kostümen über die Inneneinrichtung bis zur Raumakustik entwirft er detailreich die Kulisse zu einer vielschichtigen Erzählung. So gelingen ihm zahlreiche beklemmende Kinomomente.

McGregor selbst verkörpert eindrucksvoll den physischen und psychischen Verfall des Protagonisten auf der jahrelangen, unermüdlichen Suche nach seiner Tochter. Jennifer Connelly als zerbrechliche Dawn, setzt der Vergangenheit derweil auf ihre Art ein Ende. Ein neues Antlitz, maßgeschneidert vom Schweizer Schönheitschirurgen, geleitet sie in ein neues Leben, während er immer noch tagein tagaus an der Straßenecke steht und auf Merrys Rückkehr wartet - einprägsam und überzeugend, gleichermaßen vor und hinter der Kamera.