Das Fließband im Theatertempel

Die US-amerikanische Künstlerin Tauba Auerbach gestaltet in dieser Saison den Eisernen Vorhang in der Wiener Staatsoper.

Bühnenraum der Wiener Staatsoper mit Blick auf den Eisernen Vorhang

Staatsopern-Direktor Dominique Meyer und Künstlerin Tauba Auerbach

APA/HANS KLAUS TECHT

Jede Spielzeit verwandelt sich der prächtige Zuschauerraum der Wiener Staatsoper in einen temporären Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst. Seit 1998 lädt das Haus zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen ein, den Eisernen Vorhang, also die Brandschutzwand, künstlerisch zu bespielen. Es entstehen Kunstwerke, die von den Besuchern und Besucherinnen der Oper vor und nach der Aufführung betrachtet werden können. In den vergangenen Jahren wurden unter anderem Maria Lassnig, David Hockney und Joan Jonas eingeladen, den Eisernen Vorhang künstlerisch zu bespielen. Für die aktuelle Spielzeit 2016/17 ist der Auftrag an die 35-jährige US-Amerikanerin Tauba Auerbach gegangen.

Knalliges Grün trifft auf Rot und Blau. Der Eiserne Vorhang der Wiener Staatsoper erstrahlt seit heute in grellen Farben. Eine spiralförmige Grafik erstreckt sich auf der 176 Quadratmeter großen Fläche. Die Arbeit der US-amerikanischen Künstlerin Tauba Auerbach erinnert auf den ersten Blick an ein psychedelisches Muster, an eine Pop-Art-Tapete. Fast möchte man sich darin verlieren. Dabei hat das Motiv, das hier abgebildet ist, so gar nichts mit bewusstseinserweiternden Erfahrungen zu tun. Die US-amerikanische Künstlerin Tauba Auerbach hat sich in einer Fabrik umgeschaut und dort Fotos von spiralförmigen Bauteilen eines Fließbandes angefertigt.

Eine Pop-Art-Tapete im Herzen der bürgerlichen Repräsentationskultur

„Als ich eingeladen wurde, an diesem Projekt teilzunehmen, dachte ich an einen Vorhang, einen Vorhang aus Stoff. Schließlich fand ich heraus, dass dieser Vorhang eine Wand aus Metall ist. Ich habe also einen Bauteil eines Fließbandes fotografiert. Ein Stück Metall, das allerdings flexibel ist, also biegsam“, so die Künstlerin Tauba Auerbach.

Eine internationale Expertenjury, der unter anderem Hans-Ulrich Obrist angehört, hat Auerbach ausgewählt, den Eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper in der Spielzeit 2016/17 zu gestalten. Tauba Auerbach hat sich dafür in einer Fabrik umgeschaut und spiralförmige Bauteile eines Fließbandes zum Motiv ihres überdimensionierten Prints gemacht.

Um die Darstellung eines Ortes der industriellen Produktion geht es der Künstlerin freilich nicht. Sie nähert sich dem Motiv aus einer formalen Perspektive. Tauba Auerbach hat die abgebildete Form seriell vervielfältigt und arbeitet die graphische Qualität des Motivs heraus. Ein Sujet des sozialistischen Realismus, der ja gerne Maschinen und Produktionsstätten ins Bild gesetzt hat, im Gewand einer Pop-Art-Tapete. Zumindest wer den Hintergrund der Arbeit kennt, mag über das Fließband-Motiv schmunzeln, das sich hier als Dekor ins Herz der bürgerlichen Repräsentationskultur geschummelt hat. Das einzige, was sie an der Oper nicht möge, sagt Tauba Auerbach, sei das Klassengefälle. Deshalb habe sie ein Kunstwerk gestaltet, das von den billigen Sitzen aus am besten aussehe.

Der Eiserner Vorhang bringt regelmäßig ein Stück Zeitgenossenschaft in die Wiener Staatsoper, deren Repertoire der zeitgenössischen Komposition und Oper ja eher einen bescheidenen Platz einräumt. Initiiert wurde das Projekt vom ehemaligen Staatsoperndirektor Ian Holender, Dominique Meyer setzt es mit Begeisterung fort. Das Budget der Staatsoper belastet das Prestigeprojekt, das eine Brücke zwischen Bildender Kunst und Oper schlägt, nicht. Es wird von privaten Sponsoren finanziert.