Kino: "Ein Lied für Nour" im zerbombten Gaza

Es ist eine Geschichte, wie ein Märchen: Im Jahr 2013 hat der damals 23-jährige Mohammed Assaf, aufgewachsen in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen, vor einem Millionenpublikum die zweite Staffel der TV-Castingshow "Arab Idol" gewonnen.

Jetzt hat der palästinensische Regisseur Hany Abu-Assad die Geschichte verfilmt. "The Idol" heißt der Film im Original, diese Woche kommt er unter dem deutschen Verleihtitel "Ein Lied für Nour" in die heimischen Kinos.

Ein Junge wartet

Noch ahnt der junge Sänger nicht, wie weit ihn sein Talent bringen wird

Thimfilm

Vereinende Kraft der Kunst

"Menschen sterben und du singst", schreit eine Frau und schüttet einen Kübel Wasser auf Mohammed Assaf. Im Jahr 2005 war noch ein Küchentrichter sein Mikrofon, als er mit seiner Schwester und zwei Freunden zwischen den Trümmern auf den Straßen Gazas spielte. Und hier setzt Regisseur Hany Abu-Assad mit seiner Erzählung ein: Assaf als kleiner Bub, mit großen Träumen.

Acht Jahre später verfolgten Millionen Menschen vor den TV-Geräten und in den Straßen Palästinas Assafs Sieg beim Finale von "Arab Idol". Unter ihnen, auch Regisseur Hany Abu-Assad: "Ich war auf einem Platz in Nazareth. Ich war einfach nur berührt, wie er mit seiner Stimme all diese Menschen zusammengebracht hat. Christen und Moslems, Alt und Jung. Das war ein magischer Moment für mich. Ich bin gesprungen, wie ein Bub!"

Hommage an die Stadt Gaza

Und dementsprechend sei dieser Film eine Hommage an die vereinende Kraft der Kunst, aber auch eine Hommage an die Stadt Gaza, so Abu Assad: "Gaza ist seit Jahren wie ein großes Gefängnis, und trotzdem hat die Stadt ihre Menschlichkeit nicht verloren. Inmitten der Zerstörung wird musiziert, es werden Witze gemacht. Es wird geheiratet und gelebt. Die Menschen haben nach wie vor Träume."

Assafs Auftritte bei der Castingshow fasst Abu Assad im Film mithilfe von dokumentarischem Material nur in den Schlussszenen zusammen, erzählt stattdessen vor allem die die fiktionalisierte Geschichte seiner Kindheit - auf dem Spielplatz Gaza. Ein Film wie ein Märchen, der zugleich aber eine Alltagsrealität auf die Leinwand bringt, in die Einblicke sonst rar sind.

Casting per Skype

Um zu den Castings nach Ägypten, aus dem umzäunten und abgeriegelten Gazastreifen hinauszukommen, muss Assaf Grenzbeamte bestechen, Betonmauern und Stacheldrahtzäune überwinden. "Ein Lied für Nour" war dabei seit Jahren der erste Film, der zumindest teilweise im Gazastreifen gedreht worden ist. Seine minderjährigen Schauspieler hat Hany Abu-Assad über Skype gecastet.

"Sie sind dann erst einen Tag vor Drehbeginn angekommen. Und sie waren fantastisch. Kinder sind am Set oft eingeschüchtert. Nicht diese. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie schon zwei Kriege erlebt haben. Und wenn man um sein Leben fürchten muss, nimmt einem das später andere Ängste", so der Regisseur.

2013 hat Mohammed Assaf das Finale von "Arab Idol" gewonnen. Mittlerweile hat er einen Diplomatenpass und ist UN-Sonderbotschafter für Palästinaflüchtlinge - für die Ein- und Ausreise in den Gazastreifen benötigt er nach wie vor eine Sonderbewilligung.