"Meine Zeit mit Cézanne" im Kino
Sie waren zwar Freunde, doch nicht immer war alles eitel Wonne zwischen dem Maler Paul Cézanne und dem Schriftsteller Émile Zola. Regisseurin Danièl Thompson zeichnet aus der Sicht Zolas die verschlungenen Wege beider Künstler nach.
8. April 2017, 21:58

Paul Cézanne (Guillaume Gallienne) porträtiert seinen Freund Émile Zola (Guillaume Canet) 'en plein air'
2016 PROKINO Filmverleih GmbH
Synchron, 22.12.2016
Zögerlich stehen sie einander nach Jahren wieder gegenüber, mit verstohlenen Blicken. In die erste zurückhaltende Umarmung zwischen Paul Cézanne und seinem alten Freund Émile Zola hinein erfolgt die erste von zahlreichen Rückblenden des Films - in einen Schulhof in Aix-en-Provence.
Dort wird der kleine, schielende Émile, Kind armer italienischer Einwanderer, gehänselt und geprügelt, bis der selbstbewusste Paul, reicher Spross aus großbürgerlichem Hause, einschreitet. Ein Handschlag besiegelt den Beginn einer lebenslangen Freundschaft, die ebenso innig wie kontrovers verläuft und geprägt ist von zahlreichen Auseinandersetzungen.
Frierende Anfänge eines Künstlerdaseins
Auf die unbeschwerte Kindheit in der Provence folgen die ersten bitteren Erfahrungen als arme angehende Künstler in Paris und das verzweifelte Revoltieren gegen etablierte Meinungen und Geschmäcker, während Kälte und Armut das Dasein bestimmen. Zola erlangt als Romancier und Begründer des Naturalismus bald Ruhm und Reichtum, Cézanne, der aufbrausende Querulant, erfährt erst gegen Ende seines Lebens Anerkennung als Künstler.
Dichtes Porträt zweier unterschiedlicher Köpfe
Der Film ist ein dichtes, feingliedriges und detailliertes Porträt zweier großer Künstler ganz unterschiedlichen Charakters. Jede Begegnung, jede kleine Episode birgt eine große Erzählung: Von Cézannes Entwicklung einer neuen Sprache in der Malerei und seinen Malausflügen ins Freie, zu denen ihm der befreundete Farbenhändler Père Tanguy erstmals Farben in Tuben mitgibt; von Zolas armen Familienverhältnissen und seiner späteren literarischen Darstellung der Unterschicht, aber auch von seiner glühenden Verteidigung der Impressionisten. Oder von der gemeinsamen Liebe zu Gabrielle, Cézannes Modell und Maitresse, Zolas spätere Ehefrau.
Kontraste als bestimmende Stilmittel
Ganz nebenbei schildert er außerdem von den großen politischen und künstlerischen Umwälzungen am Ende des 19. Jahrhunderts. Der Streifen lebt dabei auf allen Ebenen von Gegensätzen: etwa jener zwischen Cézannes derber, vulgärer Sprache und Zolas gewählter Ausdrucksweise, Cézannes cholerischem Temperament und Zolas nachdenklicher Zurückhaltung, zwischen der grauen, staubigen Pariser Enge und der schier unbegrenzten provenzalischen Weite, wo Cézanne im gleißenden, unnatürlich plastischen Sonnenlicht die Leuchtkraft der Farben von der Natur auf die Leinwand zu bringen versucht.
"Es gibt dort dieses berühmte, prächtige Licht von Aix, und wenn man in dieser unglaublichen Landschaft von Aix spazieren geht, die unberührt geblieben ist, versteht man, wer Cézanne war und wie er zu Cézanne geworden ist", erzählt die Regisseurin Danièl Thompson.
Intensives Filmerlebnis
Die Lebensentwicklung der beiden Protagonisten spiegelt der Film auch auf ästhetischer Ebene wider. Anfangs kurze, rasche Schnittfolge mit vielen Close-ups von Blicken, Gesten und Farbtupfern weichen zum Ende hin immer längeren Panoramaeinstellungen und ausgedehnten Augenblicken der absoluten Stille. Ein intensives und einprägsames Porträt zweier Künstler und einer Epoche im Umbruch.