"Wedding Doll": Zart-bitterer Liebesfilm

Der junge israelische Dokumentarfilmer Nitzan Gilady wagt sich mit "Wedding Doll" in die Welt der Spielfilme. Darin erzählt er die Geschichte eines leicht geistig beeinträchtigten Mädchens, dessen größter Traum es ist, zu heiraten.

Aus einem Coming-of-Age-Film wird subtil eine Kritik an unserer Gesellschaft, ein Plädoyer für die Liebe und Chancengleichheit aller. Der zart-bittere Liebesfilm ist ab heute in den heimischen Kinos zu sehen.

Mittagsjournal, 29.12.2016

Junge Frau betrachtet kleine Puppe

Thimfilm

Synchron, 29.12.2016

Nitzan Gilady im Interview

Hochzeitspuppen aus Klopapier

Hagit ist ein Mädchen Mitte 20. Sie lebt in einer kleinen Stadt in der abgelegenen aber beeindruckenden israelischen Negev-Wüste und arbeitet in einer Klopapier-Fabrik. Ihr größter Traum es ist zu heiraten. Das leicht geistig beeinträchtigte Mädchen tapeziert ihr Zimmer mit Brautmoden-Werbung aus und bastelt kleine Puppen, kleine Wedding Dolls aus Karton und Klopapier - wäre gern selbst eine Braut. Doch so einfach ist das nicht für die Mitte Zwanzigjährige. Denn der Sohn ihres Chefs mag sie zwar auch, öffentlich zugeben würde er das nie. Es bleibt ein Geheimnis flüstert er ihr zu, wenn sie sich heimlich treffen und bloß Händchen halten.

Und so träumt sich die Hagit, gespielt von Moran Rosenblatt, durch ihren tristen Alltag, wird von ihrer Mutter Sara überführsorglich beschützt, bevormundet und in jedem Aspekt ihres Lebens kontrolliert. Als die Toiletten-Fabrik schließen muss, weiß Hagits Mutter nicht weiter. Es wird der alleinerziehenden Mutter zu viel und Hagit rebelliert immer öfters, versucht auszubrechen. Dabei stoßen beide an ihre Grenzen.

Vom Szenen-Foto zum Drehbuch

Mit "Wedding Doll" wagt sich der junge israelische Dokumentarfilmer Nitzan Gilady in die Welt der Spielfilme. Es sei schon immer sein Traum gewesen einen fiktionalen Film zu drehen, erzählt er. Doch nach sechs Jahren in New York, einer Schauspielausbildung und unzählige Rollenangebote den Terroristen zu spielen, reichte es dem jungen Israeli.

Er kehrte in seine Heimat zurück und inszenierte ein Straßen-Theaterstück. Dabei ging es um drei Bräute, die in den Straßen nach ihren Ehemännern suchten. Sie alle waren gekleidet in Brautkleidern aus Toilettenpapier und Rollen, die genauso aussahen wie das Brautkleid, dass Hagit auf dem aktuellen Filmplakat trägt.

Das Szenen-Foto ging Gilady nicht mehr aus dem Kopf und irgendwann entwickelte der Autodidakt das Drehbuch rund um dieses Szenen-Foto. Er überlegte, wer wohl so ein Brautkleid tragen würde, wo sie leben und arbeiten würde und kam zu dem Schluss, es müsste ein ganz besonderes Mädchen sein, die dieses eigenwillige Kleid trägt.

Die Handlung wurde aber auch von Giladys Familiengeschichte beeinflusst: Vor etwa zwölf Jahren fand man heraus, dass sein Bruder an einer posttraumatischen Störung leidet, verursacht durch seinen Militärdienst. Auch er war von der Idee zu heiraten beinahe besessen gewesen, erinnert sich der Regisseur. Ähnlich wie Hagit, stand ihm in der Liebe seine mentale Verfassung im Weg.

Als Drehort entschied sich der Regisseur für die israelische Negev-Wüste und sieht in dieser atemberaubenden Landschaft Parallelen zur Figur Hagit. Beide seinen von Natur aus perfekt - doch der Mensch, oder auch die Gesellschaft würden sie verändern und kontrollieren wollen, anpassen und in Schubladen stecken, so der Regisseur.

"Wie eine Blume in dieser Wüste"

Für die Schauspielerin Moran Rosenblatt war es deshalb wichtig Hagit nicht als Opfer darzustellen, und Hagits Lächeln war der Schlüssel: "Es macht den Charakter aus, auch wenn es oft ein trauriges Lächeln ist. Das war sehr schwer für mich, bis ich begann, wie Hagit, meine Schutzschichten abzulegen. Diese dicke Haut, die wir uns alle zugelegt haben, braucht Hagit nicht. Sie ist wie eine Blume in dieser Wüste, in dieser abgelegenen Kleinstadt - naiv und optimistisch. Für mich war es einer der interessantesten Aspekte an dieser Rolle, mich derart zu öffnen. Mich nicht zu verstecken. Und auch wenn es mich zu Beginn ängstigte, wurde mir klar, wie befreiend das sein kann."

Die Tragik, die in dem Charakter Hagit steckt, wird wie von selbst zur Gesellschaftskritik. Von den Kindern aus der Nachbarschaft gehänselt, muss Hagit immer auf das Mitgefühl ihres Umfelds zählen - wird mehr geduldet als respektiert - darf nicht lieben, wen sie möchten - wird auf ihre mentale Verfassung reduziert und nicht nach ihren Talenten gemessen. Fürsorge wird zur Kontrolle, das schützende Heim zum Gefängnis, und aus einem jungen kreativen Mädchen eine Gefangene, die zu zerbrechen droht.