Dirigent Georges Pretre gestorben

Georges Pretre verstarb am Mittwochnachmittag in seiner Heimat Frankreich im Alter von 92 Jahren. Er stand 177 Mal am Pult des Musikvereins.

Georges Pretre

Georges Pretre am Pult der Wiener Philharmoniker beim Neujahrskonzert des Jahres 2010

APA/AFP/DIETER NAGL

Morgenjournal, 5.1.2017

Wenn man bei einem Video eines Konzerts von Georges Pretre den Ton abdreht, hat man dennoch gute Chancen, das Stück zu erkennen, denn Pretre hatte die Musik, die er dirigierte, mimisch filmreif verkörpert. So hat er das jeweilige Orchester angesteckt mit seiner Hingabe und seinem Temperament, das ihm den von Gilbert Becaud entliehenen Spitznamen "Monsieur 100.000 Volt" einbrachte. An Konzertmusik ging er mit demselben Sinn für Dramatik heran, wie an Opern von "Carmen" bis zum "Rosenkavalier". Bei einer Sinfonie sei er eben sein eigener Regisseur, sagte er einst in einem Interview.

Aus ärmlichen Verhältnissen in einer Bergbaustadt in Nordfrankreich startete er eine Traumkarriere. Ursprünglich wollte er Komponist werden, lernte Klavier und Trompete, spielte viel Jazz, um die Ausbildung zu finanzieren. Für ihn war Jazz keine "leichte" Musik, denn es gäbe nur gute und schlechte Musik.

Georges Pretre dirigierte 1966 die Wiedereröffnung der New Yorker Met und 1989 die Eröffnung der Pariser Bastille-Oper. Francis Poulenc vertraute ihm die Uraufführung von Schlüsselwerken wie des Einakters "La voix humaine" an und für Maria Callas war Pretre über weite Strecken ihrer Karriere ein Lieblingsdirigent.

Selbst Werke, die er x-mal dirigiert hatte, studierte er jedes Mal, als ob es für ihn eine Premiere wäre; als ewig Studierender bleibe man jung, bekannte er einst, durch Routine hingegen niemals. Der musikalisch und auch sonst ausgesprochen jugendlich wirkende Pretre dirigierte mit 83 Jahren sein erstes Neujahrskonzert und zwei Jahre danach das zweite.

Die Wiener Philharmoniker verglich der Pferdeliebhaber gerne mit einem Vollblutpferd, das er als Jockey reite. Die Wiener Philharmoniker und die Wiener Symphoniker über Jahre parallel zu dirigieren, ohne, dass das Unfrieden erzeugt hätte, das bekam Pretre mit seinem Charme locker hin. Er war eng mit der österreichischen Hauptstadt verbunden und Ehrenmitglied des Musikvereins: "Ich bin Franzose, aber mein Herz gehört Wien", sagte er einmal.

Gestaltung: Dorothee Frank
Textfassung: Joseph Schimmer

Programmänderungen

Ö1 ändert sein Programm in memoriam Georges Pretre. Am 5. Jänner erinnert Bettina Barnay im Pasticcio - (7 Tage Ö1) an den verstorbenen Dirigenten, am Samstag, den 7. Jänner, ändert Gerhard Krammer das Programm von "Apropos Musik" (15:05 Uhr).