25 Jahre Kunst-Werke Berlin

Frei von Nostalgieverdacht

Seit dem Mauerfall präsentierte sich die einstige "politische Insel" Berlin als vitale Metropole – mit leeren Kassen, aber großem Kreativpotential. Künstler aus aller Welt sind diesem Ruf seit den 1990er Jahren gefolgt. Die Kunst-Werke in Berlin Mitte sind mit den Pionierjahren nach der Wende eng verknüpft. Sie feiern an diesem Wochenende ihr 25-jähriges Bestehen.

Ausstellungsansicht

FRANK SPERLING

Billige Mieten und Freiräume zogen in den 1990er Jahren Künstler aus ganz Europa, später aus der ganzen Welt nach Berlin. In jeder Baulücke entsteht Kunst, in jedem Hinterhof befindet sich ein Off-Space, der Mythos vom Kreativlabor Berlin strahlt bis heute. Die Mieten in der deutschen Hauptstadt sind zwar längst nicht mehr so günstig wie in den wilden 1990er Jahren, vom einstigen Ruf zehrt die Stadt aber immer noch. Inmitten des Ruinenchic der einstigen DDR-Hauptstadt entstand sie also, die neue, die aufregende Kunst, damals in den 1990er Jahren. Mit dieser im Nachhinein gerne nostalgisch verklärten Zeit sind die Kunst-Werke in der Berliner Auguststraße eng verknüpft. Der neue Direktor des Hauses, der niederländische Kurator Krist Guihthuijsen, zeichnet nun für das Programm anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Hauses verantwortlich.

Der Mythos vom Kreativlabor strahlt weiter

"Natürlich ist es wichtig, sich mit der Vergangenheit des Hauses auseinanderzusetzen, die mit Namen wie Christoph Schlingensief, oder Olafur Eliasson verknüpft ist, aber wir wollen in die Zukunft schauen und eine Plattform für zeitgenössische Kunst sein", sagt Krist Guithuijsen, der die Kunst-Werke seit 1. Juli 2016 als Direktor führt und zuvor vier Jahre lang den Grazer Kunstverein geleitet hat.

Zum 25-jährigen Jubiläum der Kunst-Werke setzt Krist Guithuijsen auf ein eher sperriges Programm. Im Zentrum steht eine Ausstellung, die dem südafrikanischen Künstler Ian Wilson gewidmet ist. Wilson gilt als Vertreter einer besonders radikalen Form der Konzeptkunst. Der 1940 geborene Künstler hat seine Laufbahn als Maler begonnen, sperrte sich aber sehr früh gegen die Mechanismen des Kunstmarktes. Sein letztes Objekt entstand 1968. Statt Gemälde, oder Skulpturen zu schaffen, organisierte er in New Yorker Galerien Talks und Gesprächsrunden, die er als situatives Kunstwerk verstanden wissen wollte. Im Zentrum von Wilsons Arbeit steht die gesprochene Sprache als Medium der Kunst.

Das immaterielle Kunstwerk

Ian Wilson steht für die Entmaterialisierung des Kunstwerks. Wer eine Arbeit Wilsons erwirbt, bekommt kein Kunstobjekt, sondern lediglich ein Zertifikat, das die Anwesenheit bei einer von Wilsons Performances bescheinigt. Damit nahm Wilson künstlerische Praktiken vorweg, die bis heute nachwirken. Man denkt zum Beispiel an Tino Sehgals Situationen, die ebenfalls immateriell bleiben und nur im Augenblick existieren. Sehgal, der 2013 bei der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden ist, knüpft gewissermaßen an die Pionierarbeit Ian Wilsons an. Andere jüngere Künstler und Künstlerinnen wurden nun gebeten für die Kunst-Werke Arbeiten zu entwickeln, die sich mit Ian Wilson auseinandersetzen. Darunter die Norwegerin Hanne Lippard. Lippard hat im Hauptraum der Kunst-Werke eine Soundinstallation geschaffen. Sie beschäftigt sich mit dem Vergänglichkeits- und Zeitbegriff, der immer vom kulturellen Standort geprägt ist. Schließlich haftet zum Beispiel der Einteilung des Kalenderjahres in Wochen etwas Konstruiertes an.

"Für mich ist Zeit etwas sehr Konstruiertes. Unsere Körper haben eine eigene Zeit, eine innere Uhr, aber die Art und Weise, wie Zeit in unserem Alltag strukturiert ist, ist eigentlich künstlich. Meine Arbeit setzt sich mit dem Zeitbegriff auseinander", Hanne Lippard über ihre Soundinstallation "Flesh" aktuelle zu sehen in der Jubiläumsaustellung der Kunst-Werke Berlin.

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