Elisabeth Badinters Buch über "Maria Theresia"

Im Mai jährt sich der Geburtstag von Maria Theresia zum 300. Mal. Anlass für die französische Philosophin und Historikerin Elisabeth Badinter, ein Buch über die Herrscherin zu schreiben: "Maria Theresia - Die Macht der Frau". Sieben Jahre hat die Autorin an dem Werk gearbeitet, klassische Biografie ist es keine geworden.

Morgenjournal, 13.3.2017

Elisabeth Badinter im Gespräch über die "geschickte Taktikerin, beachtliche Diplomatin und begnadete Schauspielerin".

"Wie eine Frau von heute"

"Ich wollte aus ihr kein Ideal machen, musste aber letztlich doch sagen: Was für eine Frau - mit all ihren Fehlern", sagt Elisabeth Badinter, die Historikern und Spezialistin der 18. Jahrhunderts und der Aufklärung. Sie hat unter anderen ein viel beachtetes Buch über Condorcet geschrieben. In den Augen der Autorin hat Maria Theresia ihr damals immenses Reich in die Moderne geführt und war als Herrscherin in ihrer Zeit einmalig.

"Sie war mit Situationen konfrontiert, die die anderen nie gekannt haben. Elisabeth I. von England und Katharina II. oder auch die Zarin Elisabeth I. von Russland hatten entweder gar keine Kinder oder eins oder zwei wie Katharina, die sich aber sehr wenig um ihre Kinder gekümmert hat. Sie alle haben regiert wie Männer. Maria Theresia war die einzige, die regiert hat, wie eine Frau. Im Grunde wie eine Frau von heute. Denn sie hat versucht, alles miteinander in Einklang zu bringen, in dem Sinn ist sie einzigartig", sagt die Autorin.

Image der guten Mutter

"Und - anders als die anderen Herrscherinnen ihrer Zeit - hat sie auch das Image der guten Mutter eingesetzt, um vom Volk geliebt zu werden. Sie hat dafür alle ihre weiblichen Talente eingesetzt."

Badinter, im deutschsprachigen Raum besonders als Feministin bekannt, die viel über Frauen- und Männerrollen geschrieben hat, hat im Lauf ihrer siebenjährigen Arbeit rund 20.000 Briefe konsultiert, die von Maria Theresia, ihrem Umfeld und ausländischen Diplomaten verfasst wurden und hat dabei auch depressive Seiten der Herrscherin entdeckt.

Und trotzdem: "Wie die Frauen heute ist Maria Theresia hin und hergerissen zwischen ihrer Rolle als Frau, als Gattin und als absolute Regentin mit großem Machthunger. Sie ist für mich eine Art Bezugspunkt in der Geschichte der Frauen. Als erste praktizierte sie einen Lebensstil, in dem das Berufsleben, der persönliche Ehrgeiz, die Mutterrolle und die Rolle der Ehefrau zusammenkamen - so wie man es heute kennt."

"Besser als an der Comedie-Francaise"

Die französische Historikerin sieht in Maria Theresia darüber hinaus eine geschickte Taktikerin, eine große Strategin mit politischem Feingefühl und eine beachtliche Diplomatin mit einer ordentlichen Portion Mut. Von Maria Theresias schauspielerischen Fähigkeiten zeigt sie sich geradezu fasziniert.

"Als sie z.B. die Ungarn zu Hilfe ruft, weil Wien in Gefahr ist, von den Feinden eingenommen zu werden - da ist sie absolut herrlich. Maria Theresia hat da beschlossen, die untröstliche Mutter zu spielen, indem sie ihnen sagte: ‚Ihr könnt doch nicht eine arme Frau mit ihren Kinder in dieser verzweifelten Lage allein lassen.‘ Sie hält eine wunderbare Rede und schafft es, die Ungarn zu erweichen. Ein Zeuge dieser Szene erzählt, er habe selbst an der Comedie-Francaise nie eine so gute Schauspielerin gesehen und selbst er habe, obwohl er alles durchschaute, beinahe geweint."

Verständnis für den Gatten

Besonders faszinierend für die feministische Autorin Elisabeth Badinter sind schließlich Maria Theresias beschützender und verständnisvoller Umgang mit ihrem eher unfähigen Mann, sowie die Art und Weise, wie sie ihn nach und nach von der Macht verdrängte und gleichzeitig dafür sorgte, dass er sich nicht erniedrigt fühlte.

Von Anfang an sei Maria Theresia bemüht gewesen, dass die Bevölkerung im Land ihren Mann Franz Stephan liebt, so sehr wie sie ihn liebte und dass man ihn respektiert.

Gestaltung: Hans Woller

Service

Élisabeth Badinter, "Maria Theresia - Die Macht der Frau", Zsolnay
Originaltitel: "Le Pouvoir au féminin, Marie-Thérèse d'Autriche 1717-1780 - L'impératrice-reine", Flammarion