
ORF/JOSEPH SCHIMMER
RSO Wien
Teufel auch! - Rafal Blechacz spielt Chopin
Hoher Besuch aus Polen: Mit Rafal Blechacz haben das ORF Radio-Symphonieorchester Wien und Chefdirigent Cornelius Meister einen der besten Pianisten unserer Tage zum Konzert gebeten.
12. Juni 2017, 02:00
Seit der damals Zwanzigjährige 2005 den internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau für sich entscheiden konnte, zählt er zu den herausragenden Interpreten seines großen Landsmannes. 2010 erschien Blechacz' CD mit den beiden Klavierkonzerten Chopins, die inzwischen als Referenzaufnahme gilt.
Mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien spielt er das zweite Klavierkonzert, bei dem es vor allem das Larghetto ist, das seit der Uraufführung 1830 den Musikliebhaber/innen den Kopf verdreht; selbst nüchterne Musikologen schwärmen von dem Satz als dem "inbrünstigsten Liebeserguss, den die Musikliteratur kennt". Chopin hingegen zuckte vor den begeisterten Zeitgenossen die Achseln: "Es wurde Bravo geschrien, wohl aber aus der Überzeugung, man müsse mir beim Abgang zu erkennen geben, dass man sich nicht gelangweilt hat."
Cornelius Meister stellt dem polnischen Romantiker einen Landsmann zur Seite, der, 1977 geboren, in diesem Konzert den Blick auf die Musik der Gegenwart lenkt: Jakub Sarwas gewann mit seiner Orchesterkomposition "écru" 2002 den Brahms-Preis in Hamburg; das Werk wurde anschließend durch Ingo Metzmacher uraufgeführt. Der Titel (französisch: ungebleicht, unbehandelt) stammt aus der Textilbranche: Sarwas wollte in seiner Musik den grünlichen Schimmer des weißen Stoffes wiedergeben.
Programm & Interpreten
ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Rafal Blechacz, Klavier, Dirigent: Cornelius Meister
Jakub Sarwas: Ecru (Erstaufführung) ++ Frédéric Chopin: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 f-Moll op. 21 ++ Joseph Haydn: Symphonie Es-Dur Hob. I/43, "Merkur" ++ Franz Liszt: Der Tanz der Dorfschenke S 110/2 (Zwei Episoden aus Lenaus Faust)
Aufgenommen am 11. Mai im Großen Konzerthaussaal Wien
Haydns Originalität und Humor
Der polnischen ersten Programmhälfte steht im Wiener Konzerthaus eine österreichisch-ungarische zweite Hälfte gegenüber. Joseph Haydn, der sich vom damals zum ungarischen Territorium gehörenden Schloss Esterházy aus Weltruhm sicherte, komponierte seine 43. Symphonie für das Hoforchester des Fürsten Esterházy.
Warum das Werk "Merkur" heißt und ob hier nicht überhaupt eine Verwechslung vorliegt, kann die Haydn-Forschung bis heute nicht beantworten. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass das Werk mit Überraschungen aufwartet, die einmal mehr Haydns Originalität und Humor beweisen - etwa der Umstand, dass der Komponist das Werk gerade am Anfang auf der Stelle treten lässt oder dass das Finale mit seinem doppelten Schluss frühzeitigen Applaus entlarvt.
Mephisto zum Finale
Das Konzertfinale des RSO Wien ist weniger humorvoll als teuflisch: Cornelius Meister dirigiert den als "Mephisto-Walzer Nr. 1" bekannt gewordenen Tanz in der Dorfschenke, eine von zwei Episoden, die Franz Liszt dem Faust-Gedicht von Nikolaus Lenau entlehnte. Lenau hatte mit seinem Epos einen bewussten Gegenentwurf zu Goethes Drama vorgelegt, indem er Faust als verführbaren Zauderer und Mephisto als scharfsinnigen Philosophen porträtierte.
In der von Liszt komponierten Episode platzen die beiden in die Hochzeitsfeier in einer Dorfschenke. Mephisto schnappt sich eine Geige, stimmt sie (wie bei Liszt gut zu hören ist) und spielt zum Tanz auf. Vom wüsten Walzer hingerissen, verführt Faust eine junge Bäuerin. Nicht wenige wollen in den Steigerungen des Orchesters hören, wie es mit den beiden im Wald hinter der Schenke weitergegangen ist ...
Damit ist Liszts "Mephisto-Walzer Nr. 1" ein Paradestück, um bereits vor dem Konzert in einer "Klassischen Verführung" vorgestellt zu werden. Teresa Vogl und Christoph Becher befragen gemeinsam mit Cornelius Meister und dem RSO Wien das Werk auf mephistophelische Hinweise. Und sie begründen, warum man sich über Joseph Haydns Musik auch fast 250 Jahre nach ihrer Entstehung noch freuen kann.
Text: Christoph Becher, Intendant RSO Wien