Elektroauto mit der Aufschrift "Zero Emission"

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Saldo

Elektroauto-Mekka Norwegen

Umweltfreundlich, aber teuer: medial und politisch werden Elektroautos bejubelt, der Verkauf geht dennoch zögerlich voran. Norwegen bildet eine Ausnahme. "Saldo" fragt, warum ein Öl-Land den Diesel verschmäht?

Bereits jedes zehntes Auto ist in Ballungsräumen wie Oslo und Bergen elektrisch unterwegs. Was bringt gerade die Norweger dazu, sich als Öl-Land von Diesel und Benzin abzuwenden? Den Unterschied zu Österreich macht das Geld.

Die norwegische Regierung bietet E-Auto-Besitzern Steuervorteile, die andere Länder nur schwer nachahmen können. Warum das so ist, darüber hat sie in Norwegen unter anderem mit E-Auto Besitzern gesprochen, mit Politikern oder Autoverkäufern.

Elektroauto mit der Aufschrift "Zero Emission"

Elektroautos sind in Norwegen mit eigenen Kennzeichen ausgestattet. E-Auto-Besitzer sind von der Straßenmaut befreit und durften - jedenfalls bis heuer - überall gratis parken. Ein Vorteil, den die Regierung allerdings nach und nach zurückfährt, denn die Anzahl der E-Autos hat sich in den vergangenen Jahren in Ballungsräumen massiv erhöht.

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E-Mobilität ist günstiger

In Norwegen sieht die Rechnung beim Kauf eines Autos wie folgt aus: wer sich für ein E-Auto entscheidet, muss keine Mehrwertsteuer zahlen. Diese beträgt 25 Prozent des Kaufpreises. Zudem entfällt die Registriersteuer. Diese ähnelt der österreichischen NOVA und ist in Norwegen seit den 1960er Jahren sehr hoch. Die Registriersteuer wird nach Gewicht und Emissionen des Autos berechnet und kann für einen SUV-Diesel das Dreifache des Kaufpreises betragen. E-Auto-Besitzer sparen sich zudem die jährliche Autosteuer von rund 400 Euro.

Erfolgreicher als geplant

Dieser Steuervorteile führt dazu, dass das Elektro-Modell in allen Autoklassen in Norwegen das Günstige gilt. Das sei der Hauptgrund, warum Norwegen zum Mekka der E-Autos geworden ist, sind sich Wissenschaftler und Mobilitätsverbände sicher. Transportminister Ketil Solvig-Olsen erinnert sich, dass seine Vorgängerregierung mit dieser Steuerinitiative 50.000 E-Autos auf die Straße bringen wollte, und zwar bis 2017. Tatsächlich fahren heuer doppelt so viele E-Autos in Norwegen, nämlich 110.000 Stück. Die Erwartungen der Vorgängerregierung wurden übertroffen, von daher habe die aktuelle Regierung diese Steuervorteile auf weitere drei Jahre verlängert.

Elektroauto beim Stromtanken

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Optimismus

Norwegens Transportminister setzt darauf, dass die Elektroflotte schon bald so attraktiv sein wird, um auf Förderungen gänzlich zu verzichten.

Anreize können bald entfallen

Dem Steuertopf entgehen wegen dieser Steuerbefreiung jährlich bis zu 400 Millionen Euro, wie Ketil Solvig-Olsen vorrechnet. Er lenkt ein, dass sich ein reiches Land wie Norwegen das leisten könne. Allerdings würden in absehbarer Zeit auch diese Steuervorteile fallen. Solvig-Olsen argumentiert, dass die ersten E-Automodelle vor einigen Jahren noch unkomfortabel und unattraktiv waren. Die Regierung konnte Bürger nur mit Steuervorteilen locken. Aktuell sei diese Förderung noch notwendig, um das Vertrauen in E-Autos zu stärken. Solvig-Olsen verweist beispielsweise auf den neuen VW E-Golf und den Opel Ampera E: neue E-Modelle würden den Benziner- oder Dieselvarianten in nichts nachstehen. Wenn Autohersteller E-Autos in ein paar Jahren günstiger herstellen können, würden Bürger automatisch diese wählen, und die Steuervorteile brauche es dann nicht mehr.

Fördern, nicht verbieten

Das Ziel des Transportminister ist es, dass 98 Prozent aller PKW in Norwegen mit Strom fahren sollen. Aktuell sind es vier Prozent. Die beliebtesten Modelle sind laut E-Mobilitätsverband der BMW i3, der Nissan Leaf, der Renault Zoe, der VW E-Golf und das Tesla Modell S. In Österreich fahren im Vergleich dazu 0,2 Prozent der Autos elektrisch.

Medial war Norwegen im Vorjahr weltweit in den Schlagzeilen, als das Land angekündigte, ab 2025 neue Verbrennungsmotoren ganz verbieten zu wollen. Davon sieht die Regierung jetzt ab, schildert Transportminister Solvig-Olsen. Ein Verbot wäre nicht zielführend, gibt er sich zuversichtlich. Es gäbe immer wieder Bürger, die unbedingt ein Dieselauto mit Allrad brauchen würden, weil sie weit abgelegen in den Bergen wohnten. Diese Ausnahmen auszustellen würde einen hohen bürokratischen Aufwand bedeuten und würde Bürger nur verunsichern und verärgern. Sie könnten sich dann gegen das allgemeine Ziel der E-Mobilität stellen, fürchtet Solvig-Olsen.

Neue Infrastruktur

Der Minister weist aber darauf hin, dass E-Mobilität die norwegische Wirtschaft verändern werde. Im Land des Öls gelte das auch für Tankstellen. Der Transportminister sieht das gelassen. Er meint, Tankstellen würden ihren Gewinn hauptsächlich mit dem Verkauf von Kaffee und Brötchen verdienen. Dieses Geschäft könnten sie weiter beibehalten, sie müssten sich künftig nur als Energietankstelle begreifen und eher Strom anbieten, und weniger Benzin und Diesel. Dass sich gerade Norwegen als reiches Öl-Land gegen diesen Treibstoff stellt, ist für Solvig-Olsen kein Widerspruch. Norwegen müsse so wie andere Länder Treibhausgase wie CO2 einsparen. Nachdem das Land seine Energie hauptsächlich aus Wasserkraft gewinne, müsse im Verkehrs- und Transportsektor gehandelt werden.

Änderungen am Gebrauchtmarkt

In diesem Zusammenhang werden E-Autos auch den Gebrauchtwagenmarkt verändern, weist VW Verkäufer Jürgen Snarli hin. Aktuell seien Preise etwa von VW-Diesel-Gebrauchtwagen stabil. Er schätzt, dass sich das in rund drei Jahren ändern wird, wenn E-Autos generell günstiger sein werden und auch ohne Steuervorteile den Verbrennungsmotoren Konkurrenz machen werden.

Elektroautos beim Stromtanken

Oslo bietet nahe dem Hafen im Zentrum der Stadt an 80 Ladestationen Strom gratis an. Vor allem Pendler nehmen dieses Angebot an.

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Neues Mobilitätsverhalten

Über die norwegische Strategie in Sache E-Mobilität hält Mobilitätsexperte Erik Figenbaum viele Vorträge an internationalen Universitäten und empfängt regelmäßig Delegationen aus dem Ausland. Figenbaum wird von ausländischen Delegationen auch oft auf das Thema "Laden" angesprochen, erzählt er. Die Erfahrung in Norwegen würde zeigen, es sei alles eine Sache der Gewohnheit und der Planung. E-Autobesitzer müssten sich in Norwegen auf kalte Winter einstellen, die Batterie reiche nur halb so lange. Für einen BMWi3 bedeutet das eine Reichweite von 80 Kilometer. Diese Umstände würden die Norweger offenbar nicht davon abhalten, auf Elektroautos zu setzen.