ORF/THOMAS RAMSDORFER
Orchester für alle mit dem RSO Wien
Im Rahmen des Projekts "raum macht musik" erarbeiteten Musiker/innen und Schüler/innen Klangminiaturen, die sich mit den Themen Grenzen, Heimat, Fremde und Neuordnung beschäftigen. Diese aus Text und Musik bestehenden klanglichen Elemente werden am 14. Juni 2017 im RadioKulturhaus präsentiert.
18. Juni 2017, 02:00
Mona Matbou Riahi und Marianna Oczkowska umkreisen eine Gruppe von Sesseln. Diese symbolisieren unterschiedliche Positionen brandaktueller Debatten. Wen bezeichnen wir als Flüchtling, wie begegnen wir der österreichischen Nachbarin mit Migrationshintergrund? Wie markieren wir die vermeintliche Grenze zu anderen? Wem weisen wir eine fremde Nationalität zu? Die aus dem Iran stammende Klarinettistin erklärt im Workshop-Raum Musikerinnen und Musikern aus unterschiedlichen Ländern, dass dieser Sessel für Dominanz steht, jener für Anpassung.
Sprache abseits der Nationalismen
Die RSO-Geigerin mit polnischen Wurzeln deutet auf die Sessel "Dialog" und "Austausch". Töne erklingen im Studio 2 des RadioKulturhauses, kraftvolle Melodien, jede behauptet sich selbst. Dann ein Stimmungsumschwung: Die Musiker/innen hören aufeinander, spielen sich Phrasen zu, lernen voneinander. Musik entsteht, die Begegnung verkörpert. Ein zerbrechlicher Prozess, der dazugehörende Sessel wirkt dagegen robust.
Wer miteinander musiziert, sieht sich zumeist Mitmusikern gegenüber, deren musikalische und geografische Sozialisation auf unterschiedlichen Erzählungen fußen. Dabei haben Musikerinnen und Musiker eine Sprache, in der sie sich verständigen können, eine Sprache abseits von Nationalismen, eine Sprache aus Tönen und Rhythmen, die mehr vom gemeinsamen Atmen geprägt ist als von Vokabeln, die das Trennende unterstreichen.
Bewegliche Zugehörigkeiten
Das Projekt "raum macht musik" mit dem schönen Untertitel "Bewegliche Zugehörigkeiten" setzt sich mit den Themen Grenzen, Aufbruch, Veränderung, Zugehörigkeit und Neuordnung auseinander. Musikerinnen und Musiker unterschiedlichster Länder tauschen sich mit den Mitteln ihrer Sprache, der Musik, aus. Die Mitglieder des RSO Wien lernen die Melodien der nach Österreich gekommenen Musiker und Musikerinnen kennen; diese lassen sich durch klassische Musik inspirieren.
In anderen Workshops sammeln Schülerinnen und Schüler Geschichten und Erfahrungen über Heimat und Fremde, Wanderung und Grenze. In dem zweimonatigen Prozess von "raum macht musik" entstehen Textelemente, die durch improvisatorische Prozesse wiederum zu musikalischen Elementen weiterverarbeitet werden.
Finale am 14. Juni im ORF RadioKuturhaus
Im Finale von "raum macht musik" am 14. Juni 2017 werden im Großen Sendesaal des RadioKulturhauses die klanglichen Miniaturen durch das Projektensemble rmm vorgestellt und mit Orchestermusik von Maias Alyamani und Gerald Resch verschränkt. Alyamani, der Bouzouk-Spieler Salah Ammo, Musiker/innen des RSO Wien sowie natürlich Mona Matbou Riahi, Marianna Oczkowska und rmm berichten von ihren Erfahrungen. Ö1 dokumentiert den Entstehungsprozess und präsentiert das akustische Ergebnis im Radio.
Damit nimmt das RSO Wien an der Initiative "Orchester für alle" teil, bei der nahezu alle österreichischen Berufsorchester an diesem 14. Juni mit einer Auswahl ihrer Vermittlungsaktivitäten an die Öffentlichkeit treten. Denn alle Orchester haben die Zeichen der Zeit erkannt und richten sich mit zahlreichen Initiativen an ein meist junges, in jedem Fall aber neues Publikum.
Ob Sitzkissenkonzert oder Instrumentenkarussell, ob Probenbesuche oder Schlagzeug-Workshop - die "Education"-Mitarbeiter der Orchester haben in den vergangenen drei Jahrzehnten eine (fast) unüberschaubare Vielfalt von Formaten entwickelt und einen Boom von Konzertangeboten entfacht. Das Publikum von morgen will verführt werden. Der Orchestertag am 14. Juni zeigt, mit wie viel Lust dies geschieht.
Text: Christoph Becher, Intendant des RSO Wien
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RSO Wien - raum macht musik
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