Bernarda Fink

JULIA WESELY

Ö1 Klassik-Treffpunkt

Bernarda Fink - Feuer in der Stimme

Kennen Sie das Mozart-Requiem? Chor und Soli, Orchester, alles da. Von den Soli hat die Altstimme am wenigsten zu tun; passiert ihr immer wieder, ist sie gewohnt: Die Sopranistin jubelt, der Tenor strahlt, der Bass verkündet; und sie? Altstimmen - seien es auch keine, sondern Mezzi! - werden höchstens mal mit dem Attribut "orgelnd" versehen, wenn sie ihre paar Solo-Noten hörbar zur Geltung gebracht haben.

Edel, unaufdringlich, bescheiden

Und dann kommt Bernarda Fink. Singt, zum Beispiel im Recordare des Mozart-Requiems, einen einzigen Ton allein, den ersten, ein f1, nicht gerade einen Spitzenton, auf dem es sich schön glänzen lässt (nicht einmal orgeln lässt es sich auf f1!) , singt also diesen Ton, mit der Silbe "re-" (von "recordare"), und alles andere zählt nichts mehr. Bernarda Fink hat etwas in der Stimme, das uns so unmittelbar in Bann zieht, dass wir für nichts anderes mehr Ohren haben.

Dabei ist diese Stimme alles andere als eine, pardon, Rampensau (das Wort gar der Eignerin der Stimme auch nur in die Nähe zu bringen verbietet sich ohnehin von selbst!). Diese Stimme hat etwas Edles, gleichzeitig Unaufdringliches, ja Bescheidenes. Und trotzdem, und doch, und überhaupt: Die Stimme trifft uns direkt ins Herz. Wir verfallen ihr heillos. Und Gnade uns, wenn wir von Bernarda Fink noch mehr hören, ein Lied, gar einen Liederabend.

Bernarda Fink als "Geneviève", Olga Bezsmertna als "Melisande" und Simon Keenlyside als "Golaud"

Bernarda Fink als "Geneviève", Olga Bezsmertna als "Melisande" und Simon Keenlyside als "Golaud" in von "Pelléas et Mélisande".

APA/HANS KLAUS

Ein Ockerton erstrahlt zu Gold

Warum ist das so? Wenn wir ihre Stimme mit dem Feuer vergleichen, dann ist es ein beständig brennendes, nicht hoch aufloderndes, aber ungemein wärmendes Feuer. Wenn wir für diese Stimme eine Farbe suchen, dann ist es vielleicht ein Ockerton, der sich freilich zum leuchtenden Gold, aber auch zum fahlen, dunklen, fast schwarzen Erdton verändern kann.

Das erklärt alles noch nicht die unglaubliche Wirkung ihrer Stimme. Es ist die Erzählkraft, die Bernarda Finks Gesang so einzigartig macht - die unbeugsame Ernsthaftigkeit, mit der sie ihre Partien interpretiert.

Slawisch-spanisches Temperament

Fink wurde in Buenos Aires in eine slowenische Emigrantenfamilie geboren, die vor dem Sowjet-Kommunismus geflohen war. Das ist der Stoff, aus dem Filme gemacht werden … Slawisch-spanisches Temperament auf den Stimmbändern, beginnt sie ihre Karriere erstaunlich spät - wollten wir doch schon annehmen, dass ihre Stimme von "Kindheit an" niemanden gleichgültig gelassen hat. Nein, erst mit 22 erfolgt das Gesangsstudium!

Seit vier Jahrzehnten singt sie Lieder, Konzerte, Oratorien, Opern. Und hören wir eine ihrer aktuelleren Aufnahmen, zum Beispiel Mahler-Lieder mit Andrés Orozco-Estrada, präsentiert sich uns eine reife, gesunde Stimme, die nach wie vor das gewisse Etwas hat, das uns nicht loslässt. "Ich bin der Welt abhandengekommen" - von diesem Lied gibt es nun wahrlich einige große Aufnahmen, nicht zuletzt von Janet Baker. Aber diese Intensität, ohne jemals maniriert zu werden, diese weiche, geradezu liebevolle, trotzdem mit einem stabilen metallischen Kern versehene Tongebung … Unvergleichlich.

Gestaltung