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Bezahlmodelle
Wie Netflix & Co den Online-Medien helfen
Das Aus von NZZ.at mit Ende April kam überraschend. Viele sehen darin aber mehr einen Anfang und meinen, dass Online-Bezahlmodelle nicht mehr aufzuhalten seien. Auch auf dem harten Pflaster Österreich.
19. Juni 2017, 02:00
Beim Start 2014 hat man sich die Latte hoch gelegt: 10.000 Abonnenten wollte NZZ.at gewinnen, aber man ist nie auch nur in die Nähe dieser Marke gekommen.
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Veit Dengler während einer Podiumsdiskussion, 2016
Veit Dengler, der Chef der Neuen-Zürcher-Gruppe, will auch im Nachhinein keine genauen Zahlen nennen: "Was ich sagen kann, ist, dass wir einen sehr ambitionierten Businessplan hatten, und wir haben nach mehr als zwei Jahren gesehen, dass wir doch sehr weit unter diesen Erwartungen gelegen sind. Wir sind da, damit wir Geld verdienen. Wir wollten eine klare Perspektive haben, und die haben wir nicht gesehen."
Technische Probleme
Die Kardinalfehler: Es gab immer wieder Probleme beim Zugang zur Website, was Kunden nie verzeihen, und die ultimative Abonnenten-Vertreibung hat dann mit der Verlagerung der IT von Wien nach Zürich stattgefunden. Bei der Neuregistrierung soll ein guter Teil der Abonnenten weggefallen sein. Auch die inhaltliche Positionierung war zu unscharf, wie Veit Dengler selber sagt. Doch Scheitern gehöre dazu. Die NZZ-Gruppe habe viel aus dem Projekt gelernt.
Netflix & Co beeinflussen Zahlbereitschaft
"Die gute Nachricht ist, dass zum Beispiel durch Netflix und Spotify Menschen zunehmend daran gewöhnt sind, dass man für rein digitale Angebote bezahlt. Wir sehen jetzt auch schon bei Zeitungen wie "Die Presse" und "Kleine Zeitung" solche Modelle, die kommen. Ich bin überzeugt davon, das ist die Richtung, in die es gehen wird. Wir waren mit NZZ.at vielleicht ein bisschen zu früh", sagt NZZ-Chef Veit Dengler.
Auch in Österreich gibt es schon Bezahlschranken
Tatsächlich arbeiten Tageszeitungen, die eine starke Abonnenten-Basis haben wie "Kleine Zeitung" und "Vorarlberger Nachrichten" mit harten Bezahlschranken im Internet. Die Tageszeitung "Die Presse" hat jetzt eine weiche Paywall, ein sogenanntes Premium-Abo eingeführt. Chefredakteur Rainer Nowak sagt, dass man nach zwei Monaten schon bei 2500 Premium-Abos halte. Das war eigentlich das Ziel für das gesamte Jahr. Die Verlage lernen, den Ball flach zu halten, wenn sie neue Projekte lancieren.
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"Krautreporter" soll sich bald finanzieren
Nicht nur das Beispiel NZZ.at schreckt ab, sondern auch das bekannteste Crowdfunding-Modell "Krautreporter" in Deutschland. Die haben mit 15.000 Abonnenten angefangen, sind dann nach einem Jahr auf etwa 5000 abgestürzt und werden von vielen schon totgesagt. Chefredakteur Sebastian Esser widerspricht da entschieden. "Krautreporter" habe seinen Weg – jetzt mit einer Paywall, auf die man anfangs verzichtet hat – gefunden und werde demnächst auch Geld verdienen.
"Krautreporter"-Chefredakteur Sebastian Esser über die Entscheidung, eine Paywall einzuführen.
"Journalismus muss sich unabhängig machen"
Für Esser ist klar: Werbung ist nicht die Lösung, um Journalismus online zu finanzieren. "Jedes Medienhaus, das etwas auf sich hält, hat inzwischen Abo-Modelle", sagt Sebastian Esser.
Schweiz: Online-Journalismus dank Crowdfunding
Auch in der Schweiz will es ein Team um Constantin Seibt wissen. Seibt war Star-Journalist beim "Zürcher Tagesanzeiger", hat das unter immer stärkerem ökonomischen Druck stehende Blatt aber verlassen, um etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Das Projekt heißt "Republik" und soll 2018 starten. Das Geld hatten die Betreiber über einen Crowdfunding-Weltrekord binnen Stunden zusammen, derzeit halten sie bei 12.000 Mitgliedern, die drei Millionen Franken eingezahlt haben. Was will Constantin Seibt damit machen?
"Nichts Überflüssiges, nichts Halbes"
Constantin Seibt, Schweizer Journalist, über sein neues Projekt "Republik"
Geringe Zahlbereitschaft in Österreich
In Zürich mischt sich also die Euphorie der "Republik"-Macher mit der Ernüchterung des gebürtigen Österreichers Veit Dengler, der in der alten Heimat gescheitert ist. Österreich gilt generell als sehr hartes Pflaster für Online-Bezahlmodelle, weil es mit ORF.at und „Der Standard“ zwei starke Qualitätsmarken ohne Paywall gibt. Doch auf diesem harten Pflaster wächst gerade wieder etwas Neues, finanziert von Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz. Noch sind die Konturen von „Quo Vadis Veritas“ unscharf, aber dass einige NZZ.at-Redakteure nun dort unterkommen, gibt Grund zur Hoffnung auf dem schwierigen Terrain des Online-Journalismus.