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Interview
Der Liebhaber
Ein ungleiches Liebespaar im Indochina der 1930er Jahre. Von Marguerite Duras. Der Regisseur des Hörspiels, Kai Grehn, im Interview.
23. Juni 2017, 02:00
Die stark autobiografisch eingefärbte Geschichte eines Mädchens, das in den 1930er Jahren mit ihrer Mutter und ihren zwei Brüdern in Indochina lebt und dort eine Affäre mit einem reichen, viel älteren Chinesen beginnt - Was hat Sie an diesem Klassiker, an diesem Stoff, fasziniert?
Kai Grehn: Es ist vor allen Dingen Marguerite Duras. Ich habe das Glück gehabt, schon zwei Texte von ihr als Hörspiel produzieren zu können und trotzdem, oder gerade deshalb, bin ich auf geheimnisvolle Weise von ihrer Poesie fasziniert und habe den Wunsch, in die Schönheit und die Abgründe ihrer Texte weiter einzutauchen.
7 Tage Ö1
Das gesamte Hörspiel hören Sie in der Hörspiel-Galerie | SA | 27 05 2017 | 14:00 Uhr
Ich habe viele unbekannte Texte vorgeschlagen, aber damit bin ich bei den Redakteuren nicht auf Gegenliebe gestoßen. Also sagte ich, okay dann nehmen wir jetzt den Klassiker, den Türöffner „der Liebhaber“ – den gab es seltsamer Weise noch nicht als Hörspielproduktion.
Sie haben ja auch tolle Schauspieler gewählt – die großartige Dagmar Manzel spielt die ältere Ich-Erzählerin, die auf ihre Jugend zurückschaut. Paula Beer, als das junge Mädchen und Alexander Fehling als der Liebhaber – Sie haben ganz klar Lieblingsstimmen, oder?
Kai Grehn: Das ist, weil ich eigentlich nicht auf der Suche nach Schauspielern bin, sondern nach Verbündeten und Gleichgesinnten. Man sitzt am Schreibtisch und hat so eine kleine Idee, so einen Funken, mit dem man dann rausgeht und versucht, Leute damit zu entzünden, sodass im besten Fall ein Funkenflug, ein Feuer entsteht - und zwar in Teamarbeit. Nicht nur mit den Schauspielern, sondern auch mit den Musikern und Tontechnikern. Es ist ein großes Team. Beim Hörspiel, wie wohl bei allen Produktionen, geht es um Vertrauen. Von beiden Seiten absolutes Vertrauen. Da finde ich es nur natürlich, dass man mit Leuten arbeitet, wo dieses gegenseitige Vertrauen schon da ist und man die nächste Reise wieder gemeinsam angeht.

Alexander Fehling
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Wenn man Ihre Arbeit kennt, verwundert es nicht, dass Sie sich mit Marguerite Duras auseinandersetzen, weil da so viel in ihrer Sprache ist, was auch sonst in Ihren Hörspielen eine große Rolle spielt. Dieses Schwebende, dieses Unaufgelöste, so ein letzter Rest der eben nicht aufgeklärt wird – wie schaffen Sie es, genau diese offene Atmosphäre zu zaubern?
Kai Grehn: Ich glaube, das hängt vor allen Dingen mit Teamarbeit zusammen - in diesem Fall mit den Schauspielern. Das Geheimnis bei Duras ist ja, die Musik in ihrer Sprache und dass das Eigentliche oft im Stillen, in den Pausen gesagt wird. Das ist vielleicht auch das Faszinierende an der Hörspieladaption im Gegensatz zum Buchlesen: dass eben die Schauspieler diesen Text mit Atem füllen und genau diese Leerstellen, dieses Schweigen, wo das Eigentliche gesagt wird, dann zum Klingen bringen. Das ist dieser im besten Fall magische Prozess im Studio, wenn wir gemeinsam versuchen, diesen Text mit Leben zu füllen, um das zu finden was uns an ihm fasziniert und den Funken irgendwie zum Brennen zu bringen.
Es war eben von der Musik in Duras' Sprache die Rede - Sie arbeiten ja auch in Ihren Hörspielen mit Musik und in "der Liebhaber" haben Sie einen chinesischen Musiker engagiert - wer ist das und warum ihn?
Kai Grehn: Song Yuhze heißt er und es war eine glückliche Fügung, wobei Zufälle gibt’s wahrscheinlich nicht. Ich wollte gerne diesen Moment der Exotik und das Aufeinandertreffen zweier Kulturen akustisch sinnlich zum Klingen bringen und war dann auf der Suche nach einem chinesischen Musiker. Ich habe dann tatsächlich im Internet gesucht, wer in Berlin so an Musikern da ist, und dabei Song Yuhze gefunden, der in Shanghai und Berlin lebt. Ich habe seine Videos gesehen, seine Musik gehört, war fasziniert und habe ihn angeschrieben – ein Verbündeter.
Das Interview mit Regisseur Kai Grehn haben Marion Brasch und Gesa Ufer für den Sender Radioeins des rbb am 19. Februar 2017 | ab Min. 36:20 geführt.
Bearbeitung: Karoline Kuchar
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