Uber auf dem Smartphone

AFP, DANIEL SORABJI

Matrix

Wie Uber, Foodora und Co die Gesellschaft verändern

Während die einen jubeln, dass sie über AirBnb günstiger als in Hotels Zimmer buchen können und mit Uber billiger Taxi fahren, sehen andere die neuen disruptiven Modelle nicht ganz so positiv.

Den Begriff der "Gig-Economy" als neuen Teil des Arbeitsmarktes hat die Finanzkrise in den USA im Jahr 2009 geprägt. Viele, die ihre Anstellung verloren hatten, mussten plötzlich viele kleine Jobs annehmen – darunter auch viele Arbeitsaufträge, die kurzfristig über Internet-Plattformen vergeben werden. Wegen ihrer problematischen Arbeitsbedingungen stehen diese Online-Unternehmen allerdings europaweit in der Kritik.

Kaum ein Begriff beschreibt besser, wie moderne entgrenzte Arbeit aussehen kann, als "Gig-Economy": Unternehmen beschäftigen und bezahlen Fahrer, die Leute von A nach B kutschieren oder per Fahrrad Essen ausliefern, wie Musiker: also pro Gig, pro Auftrag. Firmen wie Uber oder Foodora versprechen ihren Gig-Workern Spaß, ungeahnte Flexibilität und die Möglichkeit, auch in ihrer Freizeit Geld dazuzuverdienen.

Plattformökonomie

Uber, Foodora und AirBnb, aber auch die Onlineplattformen "Amazon Mechanical Turk" oder Clickworker.de haben eines gemeinsam: Ein Dritter vermittelt zwischen dem Auftraggeber und demjenigen, der die Arbeit erledigt: "Die Plattform verändert die Art der Leistungserbringung", sagt der Arbeits- und Sozialrechtler Martin Risak. Geht es nach Risak, so kombinieren die Plattformen kurzfristige, befristete Arbeitsaufträge damit, dass es immer jemanden gibt, der zur Leistung bereit ist und dass die Freiberufler so arbeiten, als ob sie in einem durchgängigen Arbeitsverhältnis wären.

Eva Wohlfarter

Eva Wohlfarter ist im Herbst ein paar Wochen für Foodora in Wien geradelt. Eine ausführliche Schilderung ihrer Eindrücke kann man auch auf ihrem Blog lesen: Daneben statt mittendrin

Besteht ein Arbeitsverhältnis?

Eines der Probleme der Plattformökonomie hat unlängst der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes, Maciej Szpunar, in seiner Empfehlung für den EuGH auf den Punkt gebracht: Uber sei nicht nur ein reiner Informationsdienstleister, sondern ein Verkehrsdienstleister. Szpunar argumentiert, dass die Fahrer ihr Geschäft nicht unabhängig vom Unternehmen betreiben könnten. Uber würde mehr machen, als das reine Vermitteln von Fahrgästen. Folgt der Europäische Gerichtshof der Empfehlung des Generalanwaltes, könnte sich das Urteil auch auf andere Plattformen auswirken, denn die meisten betonen, sie seien lediglich Online-Vermittler oder Marktplatz für Selbstständige.

Für den Arbeitsrechtler Risak stellt sich auch die Frage, wie wir als Gesellschaft mit der zersplitterten Lebenserfahrung der Menschen umgehen: "Viele fallen in Beschäftigungen rein und raus und dadurch übernehmen sie selbst das Risiko oder zum Beispiel die Arbeitslosenversicherung. Die Arbeitgeber zahlen nichts für das Risiko, das haben sie ausgelagert."

Martin Risak

Martin Risak, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien hat ein Buch zur Arbeit in der Gig-Economy herausgegeben: Arbeit in der Gig-Economy.

Technischer Wandel und Wertewandel

Atypische Beschäftigungsverhältnisse bestehen nicht erst seit der Gig-Economy. Warum die Umbrüche jetzt so sichtbar werden? Die Technik mache es möglich, in Echtzeit und online Arbeit über das Smartphone zu organisieren und zu erledigen, sagt Martin Risak.

Und auch in unserer Gesellschaft, in unseren Köpfen habe sich etwas verändert: jede Minute des Tages gewinnbringend verwerten, das sei völlig normal geworden. "Wir schauen nicht, wie wir uns solidarisieren können und was wir dagegen tun können, dass die Preise so in den Keller rasseln. Stattdessen treten wir gegeneinander in den Wettbewerb."

Der Preis der Bequemlichkeit

Die Gig Economy profitiere davon, dass wir jeden Lebensbereich verwertbar machen. Für den Arbeits- und Sozialrechtler Martin Risak sind Couchsurfing und AirBnb hier ein gutes Beispiel: "AirBnb tritt ja oft als nette Couchsurfing-Runde auf, der Unterschied ist, dass Couchsurfing gratis war, da ging es ums Leute kennenlernen, nicht um das Geld." Unsere Bequemlichkeit habe einen Preis, meint Martin Risak, und die Gig-Economy halte diesen Preis sehr niedrig:

"Wir können uns jetzt die Wohnung putzen und das Essen vor die Tür stellen lassen. Etwas, das wir früher als ausbeuterisch und uncool empfunden haben und das eher einem großbürgerlichen Lebensstil von vor 100 Jahren ähnelte. Aber wenn der Lieferant oder die Putzkraft einen Bart und Tätowierungen hat und das Unternehmen cool und lässig auftritt, dann hören wir auf, ein schlechtes Gewissen zu haben und darüber nachzudenken, wieviel derjenige verdient."