Michael Niavarani

APA/GEORG HOCHMUTH

Belletristik

Unendliche Geschichten - der neue Niavarani

"Ein Trottel kommt selten allein " heißt das neue Buch von Michael Niavarani und es zeigt seinen Autor nicht nur als fabulierlustigen, sondern auch überaus belesenen Erzähler.

Morgenjournal, 21.6.2017

Wolfgang Popp

Der rauchende Igel

Lauschig beginnt die Geschichte zu später Stunde am Ufer des Neusiedlersees. Ein schlafloser Michael Niavarani sitzt da mit seinem Nachbarn Andreas, einem Friseur zusammen, erzählt ihm vom Segen des Berühmtseins, denkt mit ihm über die Geburt der Kultur aus dem Schweinsbraten nach und erklärt, warum das Lachen die komplizierteste Sache der Welt ist.

Michael Niavarani: "Die Badehütte gibt es wirklich und ich saß wirklich eines nachts vor dieser Badehütte und habe meinen Nachbarn, so wie es am Anfang des Buchs beschrieben wird, mit einem Igel verwechselt. Ich dachte, das Rascheln kommt von einem Tier, dann hat es mich sehr gewundert, dass der Igel raucht und daraufhin saßen wir ein, zwei Stunden zusammen und haben geredet."

Platons Doppelconférencen

Die mäandernden Gespräche zwischen den beiden, angelegt als kurzweiliger Schlagabtausch oder wildes Ideen-Ping-Pong, bilden dabei die Klammer des Buches. Michael Niavarani: "Das gemeinsame Denken hat ja schon in der Antike begonnen. Es sind ja all diese philosophischen Texte von Platon in Dialogform verfasst. Und ich habe in die reingelesen, weil ich die absurde Idee hatte, eigentlich ist eine Doppelconférence wie es Farkas und Waldbrunn oder Viktor Gernot und ich getan haben, dasselbe wie so ein Dialog. Und da hat es mich interessiert, ob es in den Dialogen Platons auch einen Gescheiten und einen Blöden gibt, und, ja, die gibt es eigentlich."

Buchcover zeigt ein altes Gemälde mit einem Hofnarren

Amalthea

Mit "Ein Trottel kommt selten allein" tritt Michael Niavarani in die Fußstapfen der Marathonerzählerin Scheherezade und toppt sie sogar noch, weil er gefühlte tausendundeine Geschichten in einer Nacht erzählt.

Von Lachfreunden und Südseegöttern

Dazwischen erzählt Niavarani seine Geschichten. Gefundenes und Erfundenes, Unbekanntes und Unglaubliches. Da gräbt er etwa die Biografie des berühmten italienischen Hofnarren Pietro Gonella aus, für Niavarani der Ahnherr jedes Kabarettisten, weil er seinem Herrscher unbarmherzig den Spiegel vorgehalten hat. Oder er berichtet vom Philogelos, wörtlich "Der Lachfreund ", der ältesten Witzesammlung der Welt. Oder er breitet genüsslich die Anekdote von einem Südseevolk und seinen schier unglaublichen Glaubensvorstellungen aus.

Gibt es einen roten Faden, der diese wilde Geschichtenflut verbindet? Michael Niavarani: "Ich glaube, es ist dieser Das-gibt-es-ja-nicht-Faktor, der mich so fasziniert. Dass ein Inselvolk wirklich der Meinung ist, dass Prinz Philip, seine königliche Hoheit, Gott ist."

Mördergeschichten

Das Nachdenken darüber, was zwischen zwei Buchdeckel passt, überlässt Niavarani anderen. Er folgt einer Dramaturgie der nächsten Ecke, denn dort wartet, so ist er sich sicher und mit dieser Leidenschaft steckt er den Leser an, die immer noch bessere Geschichte. Eingeflossen sind in sein Buch Jahre des Stöberns in dunklen Antiquariatskellern und anschließende Jahre des ausufernden Lesens.

Michael Niavarani: "Ich verzettele mich. Ich möchte alle zwei Sätze eine andere Geschichte erzählen, weil sie mich so fasziniert. Das liegt vielleicht daran, dass ich keine Matura habe, nie studiert habe, und ich mich beim Recherchieren nie auf eine Sache konzentrieren musste. Ich mache auch den Fehler, dass ich mir nie Sätze unterstreiche und dann laufe ich stundenlang durch meine Bibliothek auf der Suche nach der einen Geschichte, bei der ich vergessen habe, worum es geht, aus einem Buch, von dem ich vergessen habe, wie es heißt, das einzige, was ich weiß, es war eine Mördergeschichte."

Service

Michael Niavarani, "Ein Trottel kommt selten allein", Amalthea

Gestaltung

  • Wolfgang Popp