Hitchcock-Szenen, betrachtet von einer Frau

AP/SVEN KAESTNER

Filmkolumne

Auf ein Neues - Die Lust am Remake

Was reizt Filmschaffende daran, das heiße Eisen eines bestehenden Klassikers anzufassen und sich an einem Remake zu versuchen? Welche ungewöhnlichen Ansätze gibt es da und welche Wanderungen haben Filmstoffe quer durch die Jahrzehnte und rund um die halbe Welt schon unternommen?

Kulturjournal, 30.06.2017

Wolfgang Popp

There’s no shower like Hitch's shower

Die Duschszene in Hitchcocks "Psycho" gilt bis heute als eine der Grauen erregendsten Szenen der Filmgeschichte und "Psycho" selbst als der Klassiker des psychologischen Horrorfilms.

Wie ein Fels steht der 1960 erschienene "Psycho" in der Brandung der Filmgeschichte und jeder Filmemacher machte zwar seinen Kniefall, ansonsten aber einen großen Bogen um das Heiligtum. Bis eines Tages …

38 Jahre nach Janet Leigh kam Anne Heche unters Messer. Der amerikanische Filmemacher Gus van Sant hatte es tatsächlich gewagt, ein Remake von "Psycho" zu drehen. Sein Beweggrund war ungewöhnlich: Angewidert von der Remake-Industrie Hollywoods, die jeden Klassiker durch den kommerziellen Fleischwolf drehte, wollte er die Traumfabrik mit ihren eigenen Waffen schlagen und lieferte deshalb die Persiflage eines Remakes ab. Was 1998 als "Psycho" über die Leinwand flimmerte, war nämlich eine akribisch Einstellung für Einstellung nachgefilmte Farbkopie des schwarzweißen Originals. Und doch etwas ganz anderes.

"Sogar wenn man versucht, einen Film Einstellung für Einstellung nachzudrehen, es wird immer dein Film sein. Ich bin ein ganz anderer Mensch als Alfred Hitchcock, aber man braucht genau seine Haltung, damit ein Film wie Psycho herauskommt", sagte Gus van Sant damals im Interview über seine Version von "Psycho", die vieles war - künstlerische Performance, Selbstversuch, und ein schweineteurer Workshop - nur kein für sich stehender, gelungener Film.

Desperado-Samurais und buddhistische Pistoleros

Weit spannender wird es, wenn das Remake eine Übersetzung der Ursprungsgeschichte in einen anderen Raum und in einer andere Zeit darstellt. So passiert, als US-Regisseur John Sturges Akira Kurosawas Schwertkampfepos "Die sieben Samurai" in den Wilden Westen transferierte und in "The Magnificent Seven" umbenannte.

Ein in Regen und Schlamm versinkendes japanisches Dorf wurde da zu einem sengend heißen und staubigen mexikanischen Pueblo, die sieben Pistoleros strahlten aber trotz Kulturtransfers erstaunlich viel zen-buddhistische Gelassenheit und den Fatalismus und Ehrenkodex japanischer Samurai aus.

Noch ein exotisches Detail am Rande. Kurosawa war ein großer Verehrer John Fords und hatte dessen Western vor Augen als er seine Geschichte der Sieben Samurai schrieb, das Remake kehrte hier also auf geheimnisvolle Weise an seinen Ursprungsort zurück.

Badman

Legendäre Geschichten andernorts neu zu erzählen, ist das eine - was aber, wenn man einer allseits bekannten und beliebten Kultfigur plötzlich eine neue Persönlichkeit verpasst. Als Christopher Nolan 2005 das Batman-Universum neu entwarf, brachen zuerst ein kurzes Raunen und dann bis heute anhaltende Begeisterungsstürme aus. Aus dem zappeligen noch comichaft gezeichneten Helden der 60er-Jahre-TV-Serie und aus Tim Burtons Playboy und Lebemann machte Nolan einen von seinen Traumata gejagten Mann, der mindestens ebenso unheimlich war wie sein Gegenspieler der Joker.

"Mir kam es vor als würde ich die Ursprungsgeschichte dieser Figur erzählen. Batman wird von einem unglaublichen Zorn, einer unglaublichen Traurigkeit und einem unglaublichen Schmerz getrieben, weil seine Eltern ermordet wurden, als er noch klein war", erklärte Christopher Nolan damals wie er zu seiner Sicht auf Batman kam.

Tatsächlich scheinen es besonders solche Figuren von fast archetypischer Schwere zu sein, die Regisseure zu ihrer jeweils eigenen Deutung motivieren und inspirieren. So gab es schon 48 Verfilmungen des Hamlet-Stoffes, 44 Mal nahm man sich der antiken Femme fatale Kleopatra an und Alice tanzte auch schon 37 Mal auf der Leinwand ins Wunderland und wieder retour.

Der Unberührbare

Stellt sich die Frage, ob es Filme gibt, die so heilig sind, dass man bisher noch völlig die Remake-Finger von ihnen gelassen hat. Einen Klassiker gibt es da, der auf jeder Liste der besten Filme aller Zeiten vorkommt, und das ist Orson Welles "Citizen Kane". In dem scheint so unauflöslich die DNA seines Machers zu stecken, dass noch kein anderer Filmemacher seinen Zugang zu dem Stoff gefunden hat.

Daneben hat aber auch Charles Foster Kane höchstpersönlich und noch im Film dafür gesorgt, dass er unangetastet bleibt: "There's only one person in the world who's going to decide what I'm going to do and that's me ..."

Gestaltung

  • Wolfgang Popp