ORF/JOSEPH SCHIMMER
Zum Geleit
Christian Muthspiel über "seine" neuen Ö1 Signations
Vor der eigentlichen Kompositionsarbeit galt es, einige grundlegende Entscheidungen zu treffen, um die ca. 200 neuen Ö1 Signations inklusive Schluss- und Absagemusiken, Kennungen und Trenner nicht zur willkürlichen Anhäufung vieler kurzer Stücke ausufern zu lassen, sondern einen zusammenhängenden Zyklus miteinander verbundener Miniaturen zu kreiieren.
20. September 2017, 05:00
Das „kompositorische Material“
Der Pirchner´sche „Dreiton“ wird von einer neuen Kennung, die – als Reverenz an meinen Freund Werner Pirchner – den Dreiton zur Bassstimme macht, abgelöst. Das Thema dieser neuen Kennung ist nun das musikalische Material aller weiteren Signations. Es steckt als Haupt-, Neben-, Mittel- oder Bassstimme, als Kontrapunkt, gespiegelt, als Krebs, als Reihe, vollständig oder fragmentiert etc. in jedem Stück. Mehr oder weniger offensichtlich gibt dieses Material eine gewisse „Tonalität“ vor und sorgt für Zusammenhang und Wiedererkennung.
Das Instrumentarium
Als Werner Pirchner vor knapp 25 Jahren daran ging, seine Ö1 Signations zu erfinden, waren hochwertige Samples, also elektronisch gespeicherte Klänge, die unter anderem Naturinstrumente imitieren, etwas neues, aufregendes, faszinierendes. Ebenso elektronische Instrumente, vor allem Synthesizer, sorgten damals für innovative Klangwelten. Heute hat – überspitzt formuliert – jedes Kleinkind tausend hochwertige Samples auf Smartphones, iPads und Computern, die Welt der kommerziellen Musik ist voll von Ersatzklängen, um billiger produzieren zu können, und ständig dringen uns, vom Kaufhaus bis zum Fahrstuhl, von der Sauna bis zum Kino, elektronische Klangwolken und durch Samples ersetzte Instrumente ans Ohr.
Christine Stein
Das sind die Gründe für meine Entscheidung, sämtliche Ö1 Signations ausschließlich mit echten Instrumenten (darunter natürlich auch elektroakustische, wie z.B. E-Gitarre, E-Bass, E-Piano) und echten Stimmen aufzunehmen, also ohne Verwendung eines einzigen Samples oder Synthesizers.
Das Verhältnis „Text-Musik“
Die jeweils über die Signations gesprochenen Sendereihentitel, Untertitel und Namen der Sendungsgestalter/innen und Moderatoren/innen sind sozusagen das Libretto: Hierfür sind in den Kompositionen entsprechende „Mulden“ vorgesehen, genau gestoppte Einsätze der Sprache, um eine höchstmögliche Einheit von Sprache und Musik, ein gegenseitiges Bedingen von Wort und Klang zu erreichen. Die Sprecher/innen hatten die Aufgabe, wie Sänger zur bereits aufgenommenen Musik zu sprechen und somit im Duktus der Komposition zu agieren.
Christian Muthspiel
Die „Familien“
Innerhalb der Großfamilie aller Signations gibt es Kleinfamilien: Die Nachrichtenfamilie, die Literatur-, die Wissenschafts-, die Musik-, die Religions-, die Featurefamilie u.s.w. Auch hier war mein Bestreben, diese näheren Verwandtschaften hör- und spürbar zu machen. Als Beispiel sei die Bücherfamilie (Ex libris, Hörbücher, Kontext) angeführt: Aus dem Bild, dass lesende Menschen dieser Tätigkeit meist alleine nachgehen, nur mit sich und dem Buch sind, entstand die Idee, diese Sendungen mit jeweils einem Soloinstrument ohne Begleitung zu eröffnen: Mit einer Solovioline für die „Hörbücher“, einer Bassklarinette für „Ex libris“ und einem E-Piano für „Kontext“.