Gernot Blümel

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Neue Regierung

Das neue Kulturprogramm aus Expert/innensicht

Das neue Regierungsprogramm umfasst 180 Seiten, fünf davon handeln von Kunst und Kultur. Im Ö1 Mittagsjournal analysierten Stella Rollig, Direktorin des Belvedere und Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren zentrale Punkte dieses Kulturprogramms. Ruiss war während der Koalitionsverhandlungen auch Gesprächpartner der Verhandler als Vertreter der Kulturinstitutionen. Dorothee Frank fasst zusammen.

Wenig Konkretes und erste Kritik

Das Kulturprogramm der neuen Regierung enthält viele Absichtserklärungen, die aber noch wenig konkret klingen, von "Neuaufstellung der Bundestheaterholding" bis zu "Berücksichtigung eines fruchtbaren Miteinanders von Volks- und Hochkultur".

Eine Aussage, ob das Kulturbudget stabil bleiben, vielleicht sogar valorisiert werden soll, gibt es nicht, wie etwa Ex-Kulturminister Drozda bereits kritisch angemerkt hat. Vielmehr lässt ein Papier der Regierung zu Einsparungsmöglichkeiten Kürzungen beim Kulturbudget als möglich erscheinen. In diesem Papier wird vorgesehen, Förderungen in den Ministerien um 190 Millionen Euro zurückzufahren. Von Einsparungen ausgenommen werden nur die Bereiche Sicherheit und Bildung.

Letzteres freut die Belvedere-Direktorin Stella Rollig insofern, als Bildung mit Kultur eng verschränkt ist. Aber sie fürchtet um dringend nötige Budgetvalorisierungen: "Das ist schon eine lange Forderung aller Bundeseinrichtungen, und da wird’s wirklich knapp, wenn nicht endlich diese Valorisierung kommt."

Der Themenbereich "Kultur" ist in diesem Papier jedoch nicht explizit ausgenommen. Einsparungen sollen allerdings erfolgen, ohne dass es zu Leistungskürzungen für die Menschen kommt. Würde im Kulturbereich an Förderungen gespart, dann ließen sich Leistungskürzungen für die Menschen in dieser Berufsgruppe wohl kaum vermeiden.

  • Thomas Drozda

    Ex-Kulturminister Thomas Drozda: Evaluierung ist der camouflierende Begriff für hohe Beraterkosten und Kürzungen

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  • Andreas Mailath-Pokorny

    Andreas Mailath-Pokorny, Wiener Kulturstadtradt: Erschreckend substanzlos, visionslos und altbacken

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  • Wolfgang Zinggl

    Wolfgang Zinggl, Kultursprecher Liste Pilz: Wenig konkrete Aufzählung der immer gleichen Reformvorhaben

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  • Stella Rollig

    Belvedere-Direktorin Stella Rollig: Da wird’s wirklich knapp, wenn nicht endlich diese Valorisierung kommt.

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  • Gerhard Ruiss

    Gerhard Ruiss, IG Autorinnen Autoren: Das ist die Ankündigung von Kürzungen

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Wer sind die Prüfer?

Das Kulturprogramm stellt auch eine Novellierung des Kunstfördergesetzes in den Raum; als Beispiel wird eine Evaluierung aller Förderungen über 100.000 Euro genannt (meist sind das Jahresförderungen für Institutionen). Gerhard Ruiss liest darin folgenden Subtext: "Ich verstehe es so: Das ist die Ankündigung von Kürzungen. Man wird dann nach bestimmten Gesichtspunkten sagen, was überflüssig ist an Subventionen. Wir kennen diese Evaluierungen aus früheren Jahrzehnten: da kommen betriebsfremde Leute und bewerten etwas, was sie eigentlich nicht bewerten können."

Von "Abschluss mehrjähriger Leistungsvereinbarungen" zwischen Fördergebern und Fördernehmern ist im Kulturprogramm die Rede, von "Durchführung effektiver Kontrolle, ob die vorgegebenen Wirkungsziele erreicht wurden". Das alles, so Stella Rollig, gebe es bereits: "Die großen Bundeseinrichtungen sind ja heute schon durch ihre Aufsichtsräte beziehungsweise Kuratorien Leistungsvorgaben und damit auch Evaluierungen unterworfen. Es gibt Vorhabensberichte, Strategieberichte, die werden überprüft, also es ist ja keineswegs so, dass da heute im unkontrollierten Raum gearbeitet wird." Und auch sie sieht Probleme, wenn betriebs- bzw. fachfremde Personen Kultureinrichtungen prüfen: "Denn im Kulturbereich gibt es sehr viele Softfacts, die sich oft sehr schwer in einem berüchtigten Ampelsystem oder ähnlichen Kritierienkatalogen festmachen lassen. Und man ist dann sehr schnell wieder bei Auslastungszahlen und bei der Quote als einzigem Kriterium, das, wie wir alle wissen und wie oft genug schon gesagt wurde, einfach nicht genügen kann, um die Wirkungsmächtigkeit von Kunst und Kultur in einer Gesellschaft zu überprüfen." Von Insidern aus große Museen hört man seit Jahren hinter vorgehaltener Hand Sätze wie "hinter jedem Kurator sitzt ein Controller".

Stichwort: Bundestheater

Zu den Bundestheatern findet sich im Kulturprogramm unter anderem der lapidare Satz "Bundestheaterholding neu aufstellen". Deren Geschäftsführer Christian Kircher bemerkt dazu: "Eine Neuaufstellung haben wir vor eineinhalb Jahren in die Wege geleitet, und ich glaube, dass dieser Weg sehr erfolgreich ist; dieser Weg sieht eben vor, dass wir beispielsweise erstmals Dreijahresbudgets abschließen konnten, das heißt, die Bühnengesellschaften haben hohe Planungssicherheit für die nächsten Jahre". Das ist also schon passiert - wird aber ebenfalls im neuen Kulturprogramm eingefordert. "Ich glaube, dass auch diese Formulierung eine Spätfolge unserer Turbulenzen ist. Weil ja vor wenigen Jahren die Bundestheater wirklich in einer veritablen Krise waren, und die Holding durch einen wirklichen Kraftakt diese Krise überwunden hat!"

Doppelgleisigkeit und Gießkannenprinzip?

Bessere Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden für eine gesamthafte Kulturstrategie hat sich die neue Regierung ebenfalls auf die Agenda geschrieben. Doppelgleisigkeiten seien zu vermeiden. Ob damit Doppelgleisigkeiten auch bei der Förderung gemeint sind, geht nicht hervor; Dies jedenfalls vermutet Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren, der während der Koalitionsverhandlungen eine Plattform von 360 Kulturinstitutionen vertreten hat.

"An der Praxis gemessen bedeutet dieser Anspruch, dass man etwas völlig verkennt. Derzeit ist ja die Zuständigkeit der Kunst- und Kulturförderung bei den Ländern; und der Bund fördert subsidiär, also ergänzend. Und wenn dann von Doppelgleisigkeiten die Rede ist, wird’s vollends absurd; weil niemand fördert doppelt, sondern es gibt eine Finanzierungsaufteilung. Die zu regeln wäre sehr sinnvoll - klar zu machen, dass es eine gemeinsame Verantwortung gibt für Finanzierungen. Die Länder dazu zu bekommen, wäre sicher sinnvoll; aber dann muss man halt auch mit den Ländern reden, was bisher nicht geschehen ist."

Beim Förderwesen will man "weg vom Gießkannenprinzip"; und prinzipiell betrachtet man Förderungen als "Sprungbrett in die wirtschaftliche Selbständigkeit". Kunst, die sich selbst zur Gänze trägt, ist freilich eher selten; denn sonst müsste es ja kein Förderwesen geben.

Demonstration

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"Wir werden wahrscheinlich außerhalb des Kunst- und Kulturressorts relativ viel zu tun kriegen", sagt Gerhard Ruiss mit Blick auf die Demonstrationen zur Angelobung der neuen Regierung. "Und gesellschaftspolitisch sehe ich auch viel Diskussionsbedarf auf uns zukommen, und wenig Einverständnismöglichkeit für die Kunst- und Kulturszene; mit beispielsweise einer verschärften Asylpolitik, einer verschärften Überwachungspolitik."

Doch mehr Geld?

Beabsichtigt ist auch die "Prüfung der Einrichtung einer Bundesstiftung für die Finanzierung von zentralem Erwerb bedeutender Kunst- und Kulturobjekte". "Da kann ich nur sagen: Ja, bitte!", so Rollig, "das würde aber bedeuten, enorm viel Geld in die Hand zu nehmen. Könnten wir einen neuen Klimt kaufen für Österreich, würden wir jubeln, aber wir alle kennen die jüngsten Auktionsergebnisse, wir bräuchten dafür Millionenbeträge im dreistelligen Bereich, und wenn eine solche Bundesstiftung diese zur Verfügung stellen kann, dann werden wir begeistert sein."

Bekenntnis zu Kultur und Kunst

Gefallen findet Stella Rollig an der allgemeinen Einleitung des Kulturprogramms: "Es gibt hier ein Bekenntnis zu Kultur und Kunst als eine Materie, welche für die Entwicklung der Gesellschaft in vielerlei Hinsicht, im sozialen Bereich, im Bildungsbereich, einfach unverzichtbar ist. Diese Haltung - Kultur, Kunst nicht als einen Luxus zu begreifen, ein Addendum, das man anwenden kann, wenn die Sonne scheint, sondern wirklich als einen integralen Bestandteil einer Gesellschaft, ihrer Weiterentwicklung und ihrer Selbstreflexion: das kann ich hier schon lesen, und das ist für mich sehr positiv."

Gesellschaftspolitischer Diskussionsbedarf

In dieser Einleitung heißt es unter anderem: "Künstlerische Positionen zu Fragen unserer Zeit sind auch wichtige Beiträge zur Diagnose gesellschaftlicher Herausforderungen." Das lässt sich als Bekenntnis zu politischer Kunst lesen. Freilich üben sich viele prominente Künstler in markiger Kritik an Regierungsvorhaben etwa in Sachen Asylwesen, Arbeitslosengeld oder Bildung.

Auch Publikumslieblinge wie Erni Mangold haben an den heutigen Demonstrationen gegen türkis-blau teilgenommen. Wird Kulturminister Gernot Blümel mit solcher Kritik leben? Oder könnte es wie seinerzeit in der Ära Schüssel und Kunststaatssekretär Morak zu Förderkürzungen kommen für allzu laute Oppositionelle unter den Künstlern? Abwarten, meint Gerhard Ruiss. Wie überhaupt das Kulturprogramm in beide Richtungen vieles offen lasse.