Johann-Strauss-Denkmal

APA/HELMUT FOHRINGER

Auftakt

Was die Schrift verrät

Wie sieht eine Originalpartitur von Johann Strauß Sohn aus? Schlicht und ergreifend: schauderhaft! Eine Schmiererei mit vielen Rasuren - radiert wurde damals nicht - und das Ganze unter Umständen noch auf Notenpapier unterschiedlichen Formates. Und das etwa bei einem so großen Meisterwerk wie dem "Zigeunerbaron"! Die Musiksammlung der Wienbibliothek verwahrt einige solche ganz persönliche Dokumente aus der Feder des "Walzer"- und gleichermaßen "Operettenkönigs".

Ein geplagter Eroberer

Deren Art lässt tief blicken, das weiß der international ausgewiesene Straußkenner und -forscher Dr. Thomas Aigner, Kustos dieser Institution. Er hat auch andere Belege die darauf schließen lassen, dass der weltberühmte musikalische Eroberer - zumal ein solcher der Frauenherzen - ein völlig unsicherer, von Ängsten geplagter Mensch war.

Für seinen ersten Aufenthalt in Pawlowsk bei St. Petersburg etwa lernte er als ersten russischen Satz "ja ne mogu = ich kann nicht" - den schrieb er sich in sein Notizbuch und gleich daneben das Wort "njet = nein", erst danach "da = ja"! Der Komponist selbst sprach im Übrigen selbst oft von einer "elenden Notenschmiererei", zumal wenn er an ein neues musikdramatisches Werk heranging.

Gestochen scharf und sicher

Selbstredend ist Johann Strauß nicht der Einzige der Musikerzunft, welcher eine berüchtigte "Sauklaue" hatte - hier ist zumindest und zuvorderst an Ludwig van Beethoven zu erinnern. Aber im Vergleich zu seiner nächsten Verwandtschaft fällt er doch extrem auf. Da ist etwa der Vater mit seiner klaren Handschrift, mit welcher er seine Stücke gleich als Einzelstimmen ausschrieb, ohne erst eine Partitur zu schreiben. Eine solche hatte er nicht gebraucht. Aus diesen Orchesterstimmen ließe sich auch heute trefflich spielen.

Ebenso der Komponist wider Willen Joseph: gestochen scharf und sicher ist seine Handschrift, mit der der seine Partituren geschrieben hat, welche wegen der großen Orchesterbesetzung und der symphonischen Anlage der Musik der Strauß-Söhne nun doch notwendig geworden war. Freilich: Joseph war absolvierter Maschinenbauer und als Techniker musste man damals mit Selbstverständlichkeit "eine saubere Hand schreiben".

Aber genügt das als Erklärung - zumal ja gerade Joseph als der gleichsam unroutinierteste von Jetzt auf Gleich wegen einer ernsten Erkrankung seines älteren Bruders in "die Firma Strauß" und deren Geschäft einsteigen musste? Den Theorie- und Kompositionsunterricht erhielt er erst ab diesem Zeitpunkt - er war jedoch ein exzellenter und schnell auffassender Schüler. Seine Werke machen das hörbar, seine Partituren sichtbar.

Ein höchst intimes Dokument

Was kann uns das sagen - abgesehen von jenem ehrfurchtsvollen Schauer, den man empfindet, wenn man sich einem solch letztlich doch höchst intimen Dokument wie einer handschriftlichen Partitur eines Meisters gegenübersieht? Es ist die nachträgliche Betrachtung eines Dialoges, den der Komponist mit seinem Genius, seiner Inspiration führt und da offenbart sich eben dann auch für uns alle Freude und alle Not künstlerischen Schaffens. Und die "Sträuße" haben sich’s nicht leicht gemacht, um uns viel von der Leichtigkeit des Seins zu vermitteln.

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