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Ware Wohnraum
Die Preise für Immobilien sind in Österreich seit 2010 massiv angestiegen. So kosten Wohnungen heute um fast 40 Prozent mehr als noch vor sieben Jahren. Für 2018 rechnen Experten mit einem weiteren Anstieg von mehr als vier Prozent. Steckt hinter diesem Preisanstieg eine sich aufbauende Blase?
15. Februar 2018, 02:00
"Blasenentwicklungen gehen oft mit Innovationen am Finanzmarkt einher", sagt Leonhard Dobusch, Professor am Institut für Organisation und Lernen an der Universität Innsbruck. Denn mit dem neuen Produkt wird meist ein höherer Anteil von Fremdkapital gerechtfertigt.
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Die Ökonomie des Immobilienmarktes (16 01 2018| 19:05)
So geschehen bei der Immobilienblase 2008 / 2009 in den USA. Damals wurden Hauskredite gebündelt und mit einem Rating versehen. Nun waren sie handelsfähig und konnten auch international verkauft werden. "Die Folge war, dass solche Hausbaukredite dann viel leichtfertiger vergeben wurden, weil man konnte sie an andere Banken weiterverkaufen und hatte sie nicht mehr in der eigenen Bilanz stehen."
Das ging eine Zeit lang gut. Doch dann stieg die Verunsicherung, ob diese Kredite überhaupt zurückgezahlt werden können. Die Immobilienpreise begannen zu sinken und Sicherheiten, die die Käufer in Form von Häusern oder Wohnungen gegeben hatten, waren plötzlich weniger Wert als die aufgenommenen Kredite.
"Immobilienmärkte waren immer schon anfällig für Blasenbildung."
In den letzten Jahrzehnten sind Finanzmarktlogiken wichtiger geworden. Immobilien wurden zu einer asset class, zu einer Anlageklasse. Aufgrund der letzten Finanzkrise und der Niedrigzins-Politik der Europäischen Nationalbank wollen immer mehr Menschen in das sogenannte "Betongold" investieren.
Die Preise für Immobilien sind seit 2010 in die Höhe geschnellt. Wohnungen kosten laut dem Immobilienpreisindex ImmoDEX 2016 um 40 Prozent mehr als noch vor sieben Jahren. Neue Häuser verteuerten sich im Schnitt um 45 Prozent.

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Ende 2016 hat der Europäische Ausschuss für Systemrisiken acht Mitgliedsstaaten vor einer Überhitzung ihres Immobilienmarktes gewarnt – darunter auch Österreich. Die Österreichische Nationalbank teilt diese Einschätzung jedoch nicht.
"Die Preissteigerung in Österreich und besonders in Wien begann von einem im europäischen Vergleich niedrigen Niveau", sagt Doris Ritzberger-Grünwald, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft in der OeNB. Hinzukommt, dass die österreichischen Haushalte im Vergleich zu anderen Ländern gering verschuldet sind.
Der Anteil notleidender Kredite sei bei mit Wohnungen besicherten Krediten verschwindend gering und liege unter zwei Prozent. Ein Indiz für eine gute Bonitätsprüfung von Seiten der Banken.
"In Wien gab es auf Grund des Zuzugs eine deutlich stärkere Nachfrage nach Wohnraum. Das spiegelt sich in den Preisen."
Zwischen 2010 und 2016 lag das Bevölkerungswachstum in Wien bei 9,2 Prozent und war damit doppelt so hoch wie in Gesamtösterreich. Der Aufholprozess scheint sich 2017 jedoch stabilisiert zu haben. Die Preisdynamik hat sich abgeflacht und die Wohnbauinvestitionen sind erstmals seit Jahren wieder angestiegen.
Österreich hat im EU-Vergleich eine niedrige Eigentumsquote von 56 Prozent. Der EU-Schnitt liegt bei 70 Prozent. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern. In Wien besitzen 18 Prozent Wohnungseigentum, während es im Burgenland über 70 Prozent sind.
Die Differenz zwischen Nachfrage nach Wohnungen und Fertigstellungen, das sogenannte "building gap", kann aber nur einen geringen Teil der Preisentwicklung erklären. Knapp die Hälfte des Anstiegs geht auf das sogenannte Investitionsmotiv zurück. Auf der Suche nach Rendite investieren Investoren verstärkt in Immobilien. Das Volumen von österreichischen Immobilienfonds ist beispielsweise von 2014 bis 2016 um 50 Prozent angestiegen.
Die Profite, die im Immobilienbereich erzielt werden können, haben auch negative Auswirkungen. Und zwar nicht nur für diejenigen, die es sich nicht mehr leisten können diese Wohnungen zu kaufen oder zu mieten.
"Die Bodenpreise werden in die Höhe getrieben. Das hat auch Auswirkungen auf gemeinnützige Wohnbauträger."
Gemeinnützige Bauträger müssen sich beim Kauf von Grundstücken an eine Obergrenze halten. In Wien liegt diese bei 250 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche. Günstigen Boden zu finden wird für sie daher immer schwieriger. In schlechter Lage koste Boden derzeit rund 600 Euro pro Quadratmeter – in Gunstlagen bis zu 2.000 Euro.
Der OeNB-Immobilienmarktmonitor konstatiert für 2017 eine Beruhigung der Preisdynamik. Gerade in Wien, wo die Preise in den vergangenen Jahren stärker angestiegen sind als im restlichen Bundesgebiet, kam es zu einer Stabilisierung.
"Die Stadt müsse eine Bodenpolitik betreiben, die einen gewissen Anteil an geförderten Wohnungen sichert", sagt Johannes Jäger. Das könne über Grundstückswidmungen oder Baubescheide passieren.
Die klassische Mainstream-Ökonomie geht davon aus, dass der Markt Immobilienpreise regelt und Angebot und Nachfrage in Einklang bringt. Doch die Ökonomie kennt auch andere Erklärungsmodelle, wie etwa die kritische "land rent theory". Sie begreift den Markt nicht als natürlich gegeben, sondern als gesellschaftlich konstruiert. "Der Bodenmarkt ist eine gesellschaftliche Institution, die sich sehr wohl verändern lässt.", sagt Johannes Jäger. Denn er sei das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen den unterschiedlichen Interessen, die auf ihn einwirken.
Service
- ScienceDirekt - Sebastian Botzem und Leonhard Dobusch (2017): Financialization as strategy: Accounting for inter-organizational value creation in the European real estate industry, Accounting, Organizations and Society, Vol 59, May 2017, pp. 31-43,
- OeNB-Immobilienmarktmonitor Oktober 2017
- OeNB: EU-Immobilien Round-Up, Dezember 2017
- Wiley Online Library - Johannes Jäger (2003): Urban Land Rent Theory: A Regulationist Perspective, International Journal of Urban and Regional Research, Vol 27.2., June 2003, pp. 233-249
- 6B4/ Real Estate Investors AG
- Wohnprojekt Wien
- Die WoGen Wohnprojekte Genossenschaft e.Gen