Mann gießt Tee ein in der Wüste, Zelt

MARLENE KAUP

Radiokolleg

Der Sound der Wüste

Fährt man von der marokkanischen Oasenstadt Zagora etwa 150 Kilometer südlich in die Oase M'Hamid el Ghizlane, verwandelt sich die geteerte Straße in eine Sandpiste. Sie führt direkt in den südmarokkanischen Teil der Sahara. Sechs Kilometer südlich von M'Hamid - mitten zwischen den ersten Sanddünen - liegt das Bivouac "Le Petit Prince".

Hier und im angrenzenden Areal findet seit acht Jahren Ende Oktober das internationale Taragalte-Music-Festival statt. Dieses Weltmusik-Festival porträtiert einerseits Musik aus der Sahara. Andererseits wird auf dem Festival auch die lebendige Kultur der Nomaden gezeigt und es wird alljährlich ein Symposion zu deren sozialen und politischen Problemen abgehalten.

Sanddünen

MARLENE KAUP

Kulturelle Vielfalt und viele Musikstile

Die 40-jährige Oum El Ghaith Benessahraoui, alias "Oum", ist eine international bekannte marokkanischen Sängerin und die Schirmherrin des Taragalte-Festivals für Musik und Kultur der Nomaden.

Oum El Ghaith Benessahraoui

MARLENE KAUP

Oum El Ghaith Benessahraoui

Oum ist selbst ein typisches Beispiel für die Kulturelle Vielfalt, der man in Marokko begegnet. Der andalusische Musikstil aus der Zeit der Dynastie der Almoraviden, die Musik der Berber, der Hassani und der Gnawa-Tradition - sie alle beeinflussten einander wechselseitig. Und in der Gegenwart kommen noch Soul, Jazz, Blues und Rai-Musik dazu.

Tinariwen und der Sahel-Blues

Die Tuareg-Gruppe "Tinariwen" aus dem Norden Malis und ihren legendären Sahel-Blues kennt hier jeder in der Oase. Mit ihrem unverwechselbaren Stil haben sie es auf die internationalen Bühnen geschafft und andere Musiker auf sich aufmerksam gemacht: Carlos Santana, Robert Plant, Bono von U2, Thom Yorke von Radiohead, die Red Hot Chillli Peppers, Chris Martin von Coldplay und Brian Eno. Sie alle standen mit den Tuareg-Musikern von Tinariwen schon auf der Bühne.

Gnawa - Groove, Meditation, Tanz, Fest und Trance

Aziz Sahmaoui ist ein Fixstern der marokkanischen Musikszene. Joe Zawinul nahm ihn für einige Jahre in seiner Band Zawinul Syndicate auf Welttournee mit. Seine Eigene Band "Université de Gnawa" gründetet er 2010 zusammen mit seinem ehemaligen Syndicate Bandkollegen, dem senegalesischen Bassisten und Sänger Alioune Wade.

Gnawa ist, laut Aziz Sahmaoui, eine Bruderschaft von therapeutischen Musikern, die die Menschen zum Tanzen anleitet. Diese Musik versucht die Menschen durch ihren Groove zu befreien. Gnawa ist ein Musikstil, der auf die Sklaven aus Westafrika zurückgeht. Typisch dafür ist das Rhythmusinstrument Quarquaba. Das sind Kastagnetten aus Metall, die den melodiösen Gesang begleiten. Gnawa bedeutet Groove, Meditation, Tanz, Fest und Trance.

Musiker wie Aziz Sahmaoui haben Gnawa modernisiert und verwenden neben Gitarren, Schlagzeug und Saxophon auch Synthesizer und Sounds. Im Vordergrund bleibt aber die therapeutische Wirkung der Musik bestehen.

Musikerinnen

MARLENE KAUP

Gnawa, Chaabi, Jazz, Pop und Afro-Beats

Hamid Mohmen-Dessy ist der Gründer der Musikgruppe "Gabacho Maroc". Die Gruppe greift die orale Musiktradition der Gnawa und des Chaabi auf und vermischt sie mit Jazz, Pop und Afro-Beats.

Das Projekt "Gabacho Maroc" verfolgt, laut Mohmen-Dessy, den Ansatz der Weltmusik. "Das bedeutet: wir wollen die Kulturen miteinander verbinden. Wir wollen die verschiedenen musikalischen Ursprünge wiederentdecken und neu beleben. Die Botschaft unserer Musik zielt ab auf das friedliche Zusammenleben der Kulturen und auf universelle Solidarität. "

Männer und Kamele in der Wüste

MARLENE KAUP

Tende - der Tanz der Kamele

Die Gruppe Les filles de Illighadad besteht aus drei Sängerinnen und zwei männlichen Instrumentalisten. Sie kommen aus der Teneré, dem riesigen Wüstengebiet des Niger. Die Leadsängerin Fatou Seidi Ghali ist eine der wenigen nigrischen Gitarristinnen.

Les Filles de Illighadad kommen musikalisch aus der Tuareg-Tradition. Aus ihrem Heimatdorf Illighadad bringen "Les Filles" eine primär von Frauen zelebrierte Spielart der Musik in die Welt. Sie wird "Tendé" genannt. Tendé bedeutet übersetzt "Tanz der Kamele".

Beim Tendé sitzen die Frauen in einer Gruppe zusammen. Eine Vorsängerin trommelt auf einem Hirsemörser, der mit Ziegenhaut bespannt ist. Dabei werden die Frauen von den Männern auf ihren Dromedaren umrundet. Auch "Les filles de Illighadate" verwenden diese traditionellen Perkussionsinstrumente. Mit den begleitenden E-Gitarren schaffen sie den Sprung von der überlieferten Volksmusik in die Moderne. Die Lieder haben einen konstant treibenden Rhythmus, der im Zusammenspiel mit dem Wechselgesang zu einem natürlichen zeitlosen Sound verschmilzt.

Musiker in der Wüste

MARLENE KAUP

Die Erhaltung der nomadischen Kultur

Das Taragalte-Festival für Welt-Musik erschöpft sich nicht in der Musik und im reinen Feiern, sondern beschäftigt sich auch mit der Kultur der Nomaden. Die Erhaltung der nomadischen Kultur in dieser marginalisierten Region Marokkos hängt nämlich zentral davon ab, ob Bildungsmöglichkeiten und Arbeitsplätze geschaffen werden können. Die Infrastruktur dafür ist miserabel.

Johannes Kaup

MARLENE KAUP

Johannes Kaup

Deshalb werden in zahlreichen Diskussionen auf dem Festival auch Verbesserungsmöglichkeiten sondiert und an die politischen Instanzen weitergeleitet. Im Hintergrund steht ein historisches Problem. Seit der Kolonialzeit wurden in der Sahara willkürlich Grenzen gezogen. Diese Grenzen haben nicht nur die Familien zerrissen, sondern auch die Lebensstile der Nomaden gravierend verändert.

Gestaltung