Otto Reitter und Otto Strohmayr: Gauforum auf dem Kapuzinerberg (Imberg) mit Gauhalle, Gauhaus, Versammlungsplatz und Festspielhaus, Variante mit Adolf-Hitler-Schule, um 1940, Modellfotografie

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Architekturplanungen nach dem "Anschluss"

Die megalomanen Architekturprojekte des dritten Reichs sollten der Inszenierung der nationalsozialistischen Herrschaft dienen. Das allermeiste davon wurde allerdings nicht mehr umgesetzt. Auch für Österreich waren massive Umgestaltungen vor allem in den Gauhauptstädten geplant. Sofort nach dem Einmarsch 1938 wurde die Gleichschaltung der österreichischen Architekturbranche vollzogen.

Nicht nur die politischen, auch die kulturellen Institutionen waren von nationalsozialistischen Seilschaften längst unterwandert. In ihrem Fahrwasser warteten auch Opportunisten auf den Moment, wo man schlagartig Posten und Aufträge in Fülle abräumen konnte, weil ein Teil der Konkurrenz ausgeschaltet war. Denn mit dem "Anschluss" wurde in Österreich das deutsche Reichkulturkammergesetz schlagend, das eine Pflichtmitgliedschaft auch für Architekten vorsah, erklärt die Kunsthistorikerin Ingrid Holzschuh.

"Es konnten dann nur mehr Architekten tätig sein die in dieser Reichskammer Mitglied waren. Das hat natürlich die jüdischen Architekten ausgeschlossen. De facto war man mit Berufsverbot belegt."

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Pläne für die Neugestaltung Wiens

Die ersten Verhaftungswellen gleich nach dem Einmarsch trafen ja besonders Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens; auch Künstler und Architekten, soweit sie nicht flüchten konnten. Auch solche, die zwar nicht jüdischer Herkunft waren, aber der Vaterländischen Front oder der Linken nahestanden. Die "Säuberung" der Beamtenschaft in den Stadtplanungsämtern und die von den Nazis so genannte "Entjudung der Ziviltechnikerschaft" wurden ebenfalls binnen kurzer Frist umgesetzt.

"Jetzt im Rückblick weiß man dass das alles sehr rasch gegangen ist, und praktisch schon beim Einmarsch der deutschen Truppen ein Architekt dabei war, der mit den Neugestaltungsplänen für die Stadt Wien aufgewartet hat. Das ist Franz Pöcher, der aus dem Büro von Albert Speer stammt. Der hat Pläne, die mit März 1938 datiert sind. Das heißt man kann davon ausgehen, dass es bereits Ende 1937 diese Pläne gegeben hat, weil sie auch sehr umfangreich sind“, erzählt Ingrid Holzschuh, die 2015 im Kuratorenteam der Ausstellung "Wien. Die Perle des Reiches. Planen für Hitler“ im AZW war.

In Wien sollten beispielsweise zentrale innerstädtische Orte umgestaltet werden, wie der Heldenplatz oder die Zone vom Ballhausplatz bis zum gegenüberliegenden Rathausplatz. Zusätzliche Bauten sollten diese Areale so einrahmen, dass nach außen hin abgegrenzte Aufmarschplätze entstanden. Am Ballhausplatz wurde mit dem Fall des Ständestaates auch ein Baustopp verhängt – für einen Neubau neben dem Bundeskanzleramt.

"Das Haus der Vaterländischen Front, das am Ballhausplatz errichtet worden wäre, war ja bis zum Erdgeschoß fertiggestellt. Diese Baustelle wurde komplett eingestellt, und es hat dann Planungen für einen Repräsentationsbau der Nationalsozialisten gegeben. So weit ist s dann aber nicht gekommen. Bis nach 1945 ist dieser Erdgeschoßbau dann gestanden“, sagt Holzschuh.

Es ging aber bei weitem nicht nur um Einzelbauten, sondern um eine ganzheitliche neue Infrastrukturplanung. "Wie wird Wien an die Reichsbahn angeschlossen? Es hat einen Plan für die öffentlichen Verkehrsmittel gegeben, eine U-Bahn-Planung, Hafenplanungen, einen Flughafenplan.“

Teile der stark jüdisch besiedelten Leopoldstadt hätten plattgemacht werden sollen. Die Ringstraße wollte man von ihren beiden Enden aus über den Donaukanal und die Donau hinaus bis nach Kaisermühlen weiterziehen. Wien sollte der Donau nicht länger den Rücken zuwenden, wie Hitler das formulierte. Zwischen den beiden Prunkstraßen wäre eine Schneise für Neubebauung geschlagen worden. Wegen des einsetzenden Bombenkriegs und der damit verbundenen Wohnungsnot wurden diese Pläne später redimensioniert. Auch für Gauhauptstädte wie Graz und natürlich die Führerstadt Linz waren Neugestaltungen vorgesehen – immer nach dem einheitlichen Muster für das ganze Tausendjährige Reich.

"Man wollte Aufmarschstraßen und Aufmarschplätze schaffen, eine so genannte Gauhalle, also eine Volkshalle für die Volksgemeinschaft, die als versammlungshalle gedacht war, die einen speziellen Platz auch hatte für den Führer, also das war auch extra gestaltet. Das alles sollte wie ein Stempel ausgeführt werden“, sagt Holzschuh.

Nur wenig umgesetzt

Bis auf einige große Anlagen wie die Brückenkopfbauten in Linz wurde allerdings wenig von den überbordenden nationalsozialistischen Planungen umgesetzt. Priorität hatten kriegswichtige Baute wie Flaktürme und Wohnanlagen. Siedlungen, bestehend aus eher gesichtslosen zwei- oder dreistöckigen Riegeln mit Giebeldächern, in Reih und Glied angeordnet mit Abstandsgrün dazwischen – solche Siedlungen stammen öfter als man denkt aus der Nazizeit, wie etwa die Fotografin Maria Theresia Litschauer vor sechs Jahren in einer großen Publikation für Niederösterreich gezeigt hat.

Zur stilistischen Ausrichtung der Wohnsiedlungen merkt Ingrid Holzschuh an: "Flachdach war überhaupt nicht möglich. Also es war ganz klar, dass die Wohnhäuser Satteldächer haben. Die Nationalsozialisten habe die Moderne aus ihrem Architektur-Repertoire natürlich fast gänzlich entfernt. Wobei man sagen muss, im Industriebau hat die Moderne weiter bestanden. Also es gibt sehr moderne Industrieplanungen, von denen man nicht denken würde, dass sie in der NS-Zeit entstanden sind.“