Zwei recht mitgenommene Stoffmäuse

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Beziehungskrisen als Chance

Wenn Beziehungen in jungen Jahren nach relativ kurzer Dauer wieder auseinandergehen, wird das für gewöhnlich nicht als besonders problematisch angesehen. Anders verhält es sich, wenn eine gemeinsame Existenz geschaffen wurde, wenn die Obsorge für Kinder, das Wohnrecht im ehelichen Haushalt, vielleicht sogar ein gemeinsam errichtetes Haus und ein gemeinsam aufgenommener Kredit aufzuteilen sind.

Die damit verbundenen Probleme zeigen sich in Wortschöpfungen wie Rosenkrieg, Scheidungswaisen oder Trennungsschlacht. Unter welchen Umständen wird es als legitim empfunden eine Paarbeziehung zu lösen und unter welchen steht der Vorwurf der Verantwortungslosigkeit im Raum?

In der Aufbruchsstimmung der 1970er Jahre geriet die Zweierbeziehung in Verdacht, in repressiver Weise die herrschenden Verhältnisse zu zementieren. Trotzdem läuten immer noch die Hochzeitsglocken, in den vergangenen Jahren sogar wieder vermehrt. Während die Zahl der Eheschließungen 2001 mit 34.213 den Tiefpunkt seit Kriegsende erreichte, lag sie 2016 mit 44.890 wieder im Jahresschnitt.

Wer die Statistik bemüht, kann aber auch noch eine andere Tendenz ablesen: Bei einem leichten Rückgang der Gesamtscheidungsrate erhöhte sich der Anteil jener Ehen, die nach mehr als 25 Jahren geschieden wurden, in den vergangenen zwölf Jahren von 9,6 auf 13,6 Prozent.

In den USA wurde dafür der Ausdruck der "Gray Divorce Revolution" geprägt. Immer mehr Paare warten den Auszug der Kinder und die Abzahlung eines gemeinsamen Kredits ab, ehe sie wieder getrennte Wege gehen. Dabei kommen manchmal auch Checklisten zum Einsatz: Was würde ich vermissen, wenn ich gehe? Was vermisse ich, wenn ich bleibe?


Ein Faktor muss heute anders gewichtet werden als vor 100 Jahren, nämlich die noch zu erwartende Lebenszeit. Um 1900 lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland für Männer bei 46 Jahren und für Frauen bei 52 Jahren. Da stand die Silberhochzeit erst gegen Ende des Lebens an. Heute geborene Burschen erwartet dagegen eine Lebensdauer von 81 Jahren, Mädchen gar von 87.

Der 50. Geburtstag wird vielfach als Lebensmitte empfunden, die den Ausblick auf neue Erfahrungen freigibt, nicht zuletzt auf eine neue Liebe, die nicht unbedingt so realitätsfremd anmuten muss wie Johann Wolfgang von Goethes später Heiratsantrag an Ulrike von Levetzow. Der Dichter war 74, seine Auserwählte hingegen erst 19 Jahre alt.

Die Gründe, eine Beziehung einzugehen, fortzuführen oder zu beenden sind so vielfältig wie Beziehungen selbst, eines ist jedoch allen gemeinsam: Für den Anfang braucht es zwei, für das Ende genügt einer oder eine. Manche Menschen erleichtert es, wenn die Gefühle füreinander abkühlen, manche nehmen es hin und manche verzweifeln schier daran. Schlagen die Gefühle allerdings - aus welchen Gründen auch immer - ins Gegenteil um und aus Zuneigung wird Feindseligkeit, sollte man die Notbremse ziehen, denn praktisch alle Widrigkeiten, vor denen eine glücklich gelebte Partnerschaft Schutz gewährt, kumulieren in einer sogenannten Problembeziehung. Das reicht von Suchtverhalten bis zum erhöhten Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Rückens, der Psyche und des Immunsystems.

Die Recherche für die Sendereihe brachte etwa einen Fall zutage, in dem eine Frau über einen langen Zeitraum unter schmerzhaften Entzündungen im Mundbereich litt. Als sie nach mehr als 30 Jahren aus heiterem Himmel von ihrem Partner verlassen wurde, brach für sie eine Welt zusammen. Aber sie hatte seit diesem Tag keine Fieberblase mehr.