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"Gérard" - Der kleine Zeichner und der große Selbstdarsteller

Der Schauspieler Gérard Depardieu ist ebenso berühmt wie umstritten und bekannt für seine polemischen Äußerungen. Mehrere Jahre hat ihn der Comiczeichner Mathieu Sapin begleitet und in einer Graphic Novel porträtiert. "Gérard - Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu" heißt der Titel der deutschen Übersetzung, die vor kurzem erschienen ist.

Mittagsjournal | 09 04 2018

Judith Hoffmann

Ein verfressener, schnaufender Koloss, der seine Schimpftiraden und Obszönitäten am liebsten vor laufender Kamera loslässt, daneben ein kleines Männchen, das eifrig in sein Notizbuch kritzelt und ein wenig an Hergés Reporter Tintin erinnert: So präsentiert Mathieu Sapin das ungleiche Gespann und schafft allein durch diese Asymmetrie eine vergnügliche Grundstimmung, die sich durch das gesamte Buch zieht.

"Xanadu" mitten in Paris

Noch nie habe er jemanden getroffen, der so leidenschaftlich ist, erzählt der Zeichner, der Depardieu erstmals bei einer Fernsehdokumentation traf. Auf den Spuren von Alexandre Dumas sollte er ihn zehn Tage lang durch Aserbaidschan begleiten, so wie der Schriftsteller damals von einem Maler begleitet wurde. "Ich dachte mir: Was habe ich schon zu verlieren. Also ging ich ohne Vorbehalte zum ersten Treffen", erzählt Sapin, der sich unverhofft im Pariser Palais des Schauspielers wiederfand und staunte: "Wie die Miniaturausgabe von 'Xanadu' aus dem Film 'Citizen Kane'. Und überall steht und liegt Kunst herum", so der erste Eindruck des Zeichners, den er ebenso in der Graphic Novel festhielt wie die zahlreichen kuriosen Episoden der darauffolgenden fünf Jahre.

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Uferlos, zügellos, reflektiert

Der kleine Zeichner begleitet den großen Schauspieler zu Fressgelagen und Wodka-Orgien, Saunagängen und Besuchen bei Staatsmännern, und sieht sich selbst verblüfft dabei zu. Zu Papier gebracht hat er sein Porträt in der bewährten Mischung aus journalistischer Neugier, subjektiven Eindrücken und viel Humor.

Depardieu untermauert da das Bild des ungehobelten, redseligen Egozentrikers, der Manieren ebenso wenig kennt wie Berührungsängste. Dazwischen zeigt er sich aber auch als selbstkritischen, belesenen Kunstkenner, der lieber über Spiritualität und die Kraft der Gedanken spricht als über Tagespolitik.

Mathieu Sapin: "Ich mag es, jemanden zu porträtieren, der nicht so glatt poliert ist. Er selbst hat ja auch keine Lust, ein positives Bild von sich in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Die Schwierigkeit lag sogar eher darin, ihm gerecht zu werden, indem ich nicht nur sein negatives Selbstbild, sondern die ganze Palette unterschiedlicher, durchaus widersprüchlicher Facetten zeige."

Geliebter Feind

Im Laufe der Zusammenarbeit spitzte sich der Zwist zwischen Depardieu und Frankreich zu. Er nahm medienwirksam die russische Staatsbürgerschaft an und reiste mehrmals nach Russland - Sapin stets im Schlepptau. In den Augen des Zeichners sei es aber eher ein Missverständnis als ein Bruch, was sich da zwischen die Fronten geschoben habe und von vielen zu einer veritablen Staatsaffäre hochstilisiert wurde. "Für mich zeigt das nur, welchen großen symbolischen Wert er eigentlich hat - wie ein fleischgewordener Eiffelturm", so Sapin.

"Ich komme mir vor, als würde ich ein wildes Tier beobachten", kritzelt Sapin einmal an den Bildrand. Und er braucht nur wenige, markante Linien, um dieses wilde Tier Dépardieu in seiner faszinierenden Fülle und Ambivalenz zu skizzieren. Erzählt werden die Begegnungen in zahlreichen Parallelmontagen, Rückblenden und Zeitraffern, stets gespickt mit viel Ironie. Das macht "Gérard" zu einer äußerst amüsanten Lektüre, für Fans und Feinde gleichermaßen.

Service

Mathieu Sapin, "Gérard - Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu", Graphic Novel, Reprodukt
Originaltitel: "Gérard, cinq années dans les pattes de Depardieu", Dargaud

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