Brückenkopfgebäude und Nibelungenbrücke

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

1939

Brückenkopfgebäude und Nibelungenbrücke in Linz, Oberösterreich

Am Linzer Hauptplatz stehen, wo es Richtung Urfahr über die Nibelungenbrücke geht, die beiden Brückenkopfgebäude. Sie sind gemeinsam mit dem angrenzenden ehemaligen Wasserstraßenamt, heute "Heinrich-Gleißner-Haus", und der Brücke die einzigen Gebäude der 1939 von Reichsbaurat Roderich Fick geplanten monumentalen Donauverbauung, die tatsächlich realisiert wurden. In Linz hat Adolf Hitler seine Jugend verbracht, er wünschte sich diese Stadt als mustergültige Führerstadt.

Was von der "Führerstadt" übrig blieb

Uli Jürgens

Die Brückenkopfgebäude, die heute so adrett und ein bisschen trotzig dastehen, sind geschichtlich schwer belastet, sollten sie doch der Ausgangspunkt für eine völlig neu gestaltete Stadt werden, für die ein Großteil der Linzer Altstadt abgerissen werden hätte sollen. Die Architektin Gabu Heindl hat sich gemeinsam mit der Künstlerin Hito Steyerl vor gut zehn Jahren für ein Kunst-am-Bau-Projekt, im Rahmen des Europäischen Kulturhauptstadt-Programms Linz 2009, mit der Bau-Geschichte der Gebäude auseinandergesetzt. Wer hat hier gelebt? Wer wurde vertrieben? Wer konnte fliehen? Wer wurde in Konzentrationslager deportiert und ermordet?

Hito Steyerl, 2009

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Der Granit für die Gebäude kam aus den Steinbrüchen Mauthausen und Gusen, die meisten Arbeiter/innen waren Zwangsarbeiter/innen. Gabu Heindl und Hito Steyerl ließen 2009 den Putz der Fassaden großflächig abschlagen. Eine konstruierte Dekonstruktion, so Gabu Heindl, ein radikaler Eingriff, um hinter die Fassade des Gebäudes zu blicken. Dazu kamen Installationen, die die Geschichte der Gebäude erzählten. Es ging darum, ein Zeichen zu setzen. Zu zeigen, dass stumme Zeugen und Sedimente aus der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft mitten im Zentrum der Stadt stehen, und dass dies kaum thematisiert wird.

Vorbereitungen zum Bau der Nibelungenbrücke: Abrißhaus beim Brückenkopf Urfahr, um 1938

Vorbereitungen zum Bau der Nibelungenbrücke: Abrißhaus beim Brückenkopf Urfahr, um 1938

ÖNB/MAX HIMSL

Solche Zeugen gibt es in Linz einige, nicht nur am Hauptplatz: "Hitlerbauten", sagen die einen, "Hitlerbarock", nennen es die anderen. Gemeint sind die zahlreichen Linzer Wohnanlagen, am Bindermichl genauso wie am Froschberg oder im heutigen Stadtteil Heilham in Linz-Urfahr. Rund 11.000 Wohnungen entstanden zwischen 1938 und 1945 in diesen Siedlungen. Es sind schlichte Gebäude mit wuchtigen Eingängen, hellen Innenhöfen, Nutzgärten, Spielplätzen und den charakteristischen Wäschestangen. Heute bieten diese Wohnanlagen ihren BewohnerInnen eine hohe Lebensqualität. Dass auch diese Häuser eine schwierige Vergangenheit haben, wird gerne vergessen. Auch hier wurden zum Großteil Zwangsarbeiter/innen eingesetzt, das Material stammte ebenfalls aus den nahegelegenen Steinbrüchen.

Im Jahr 2012 druckte die Künstlerin Elisabeth Kramer im Rahmen der Ausstellung "Hitlerbauten in Linz – Wohnsiedlungen zwischen Alltag und Geschichte – 1938 bis zur Gegenwart" spezielle Postkarten, um auf die Geschichte der Siedlungen aufmerksam zu machen. Auf den Postkarten waren Daten und Fakten des jeweiligen Wohnbaus zu lesen, außerdem gab es einen Hinweis, wie dieses mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Ansonsten waren die Karten aber weiß. "Es geht darum, etwas zu markieren, um zu sagen, hier ist etwas, worüber wir reden können, worüber sich aber jeder selbst ein Bild machen soll", so Elisabeth Kramer. Die Geschichte und die Entstehung dieser Gebäude seien wichtig, auch wenn viele nichts darüber wissen wollen.

Nibelungenbrücke

ORF/ULI JÜRGENS

Die Gebäude gehören zu Linz, sind den Bewohner/innen der Stadt vertraut, heute ist in den Linzer Brückenkopfgebäuden die Kunstuniversität untergebracht. Der abgeschlagene Verputz der Kunstaktion im Kulturhauptstadtjahr 2009 ist längst wieder aufgetragen, die Gebäude erstrahlen in himmelblauem Anstrich. Die Architektin Gabu Heindl ist jedoch überzeugt, dass es immer wieder Installationen und Interventionen geben müsse, um auf die nationalsozialistische Vergangenheit der Gebäude hinzuweisen. Denn Gedenktafeln und Mahnmale sucht man am Brückenkopfgebäude am Hauptplatz genauso wie in den Linzer Siedlungen vergeblich.

Service

"Hitlerbauten in Linz: Wohnsiedlungen zwischen Alltag und Geschichte. 1938 bis zur Gegenwart", Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Nordico, Verlag Anton Pustet Salzburg 2012

Gestaltung

Übersicht