Neugestaltung Wien mit Gauforum und Baldur-von-Schirach-Insel, Vogelperspektive

ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG

1941

Gauforum und "Baldur-von-Schirach"-Insel, NS-Neugestaltung Wien

Am Heldenplatz in Wien, wo an sonnigen Tagen alle Bänke besetzt sind und in der Wiese gepicknickt wird, standen vor 80 Jahren die Menschen dicht an dicht, drängelten um die beste Sicht auf jenen Balkon, von dem aus Reichskanzler Adolf Hitler den "Anschluss" Österreichs an Deutschland verkündete.

Die ungebaute "Gauhauptstadt"

Uli Jürgens

Menschenmenge am Heldenplatz 1938

Menschenmenge am Heldenplatz 1938

ÖNB/GLÖCKLER

Hätte nicht der Krieg bald darauf begonnen und hätten die Nationalsozialisten diesen nicht verloren, würde die Wiener Innenstadt heute ganz anders aussehen. Gleich nach dem Einmarsch deutscher Truppen gab es erste Pläne zur Umgestaltung Wiens, mit weitläufigen Achsen quer durch das Stadtgebiet und einem Gauforum als politischem Zentrum. Die damals geplante Gauhalle hatte gigantomanische Dimensionen, glich einem Dom.

Amtseinführung von Gauleiter Schirach

Im Rahmen einer Feier fand in Wien am 12. August 1940 die Verabschiedung von Gauleiter und Reichsstatthalter Bürckel und die Amtsübergabe an den neuen Gauleiter Baldur von Schirach durch Rudolf Heß statt.

Im August 1940 wurde Baldur von Schirach als Gauleiter nach Wien berufen, er brachte den Architekten Hanns Dustmann als Baubeauftragten mit. Dieser skizzierte Wien als repräsentative Gauhauptstadt. Der Heldenplatz sollte für die Öffentlichkeit geschlossen werden, der Theseustempel aus dem Volksgarten auf einen riesigen Sockel übersiedeln – eine zweite Walhalla.

Der zweite Wiener Gemeindebezirk, die Leopoldstadt - damals bereits ein jüdisches Ghetto -, erschien Dustmann als nicht erhaltenswert. Die bestehenden Gebäude sollten zum Großteil abgerissen werden, um Platz für eine 95 Meter breite und rund eineinhalb Kilometer lange Prachtstraße vom Donaukanal zur Donau zu schaffen. Die Stadt sollte damit näher an die Donau heranrücken.

Nichts von alldem wurde realisiert. Auch nicht die Baldur-von-Schirach-Freizeit-Insel in der Donau. An sich eine gute Idee, die geplante Umsetzung jedoch fragwürdig: Die riesigen Stadien wären wohl von Zwangsarbeitern gebaut worden, mit Baumaterial aus Steinbrüchen der Konzentrationslager.

Den Plan, die Donau zu regulieren, gab es schon lange vor der nationalsozialistischen Machtübernahme, und in den 1970ern wurde schließlich die Donauinsel als Hochwasserschutz und Naherholungsgebiet errichtet.

Service

Ingrid Holzschuh

Ingrid Holzschuh "Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus von 1938 bis 1942. Das Neugestaltungsprojekt von Architekt Hanns Dustmann", Böhlau Verlag, Wien 2011

Ingrid Holzschuh, Monika Platzer "Wien. Die Perle des Reiches. Planen für Hitler“, hg. vom Architekturzentrum Wien (Az W), Park Books, 2015

Franz J. Gangelmayer, Gottfried Pirhofer, Siegfried Mattl "Wien in der nationalsozialistischen Ordnung des Raums. Lücken in der Wien-Erzählung“, new academic press, Wien 2018

Gestaltung

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