Neue Wohnform Ragnitz

ARCHITEKTURZENTRUM WIEN, SAMMLUNG

1965

Neue Wohnform Ragnitz

Die "Neue Wohnform Stadt Ragnitz" ist ein Beispiel für eine Mega-Struktur, wie sie in den 1960er Jahren – mit viel Mut zu utopischem Denken –entwickelt wurden, um auch heute problematischen Phänomenen wie Klimawandel, Bevölkerungswachstum, Zersiedelung im ländlichen Raum und Ausdehnung der Städte entgegenzuwirken.

Visionen vom Wohnen

Anna Soucek

Eilfried Huth und Günther Domenig lernten einander als Architekturstudenten in Graz kennen. Sie spielten in einer Handballmannschaft und gründeten, nachdem sie gemeinsam einen Wettbewerb gewonnen hatten, ein gemeinsames Büro. Huth, 1930 geboren, und Domenig, 1934 geboren und 2012 verstorben, beteiligten sich in den 1960er und 70er Jahren rege am kulturellen Leben in Graz, an Ausstellungen im Forum Stadtpark, an Diskussionen mit Künstlerinnen und Architekten, und am Diskurs, der auch von den Ideen der Studentenbewegung geprägt war. Unter dem Begriff "Grazer Schule", den der Architekturtheoretiker Friedrich Achleitner erfunden hatte, wurde die heterogene Gruppe junger Architekten international bekannt.

Mitte der 1960er Jahre wurden Eilfried Huth und Günther Domenig beauftragt, eine Bebauungsstudie für ein Grundstück im Ragnitztal, außerhalb von Graz, zu machen. Der Entwurf, den die beiden vorlegten, sah eine vertikal gestapelte Wohnsiedlung vor, die mit herkömmlichen Vorstellungen von Wohnbau auf den ersten Blick gar nichts gemeinsam hatte: ein technoides Traggerüst mit Wohnvolumina, mit Raumzellen und Versorgungsschächten. Eine Zukunftstadt für den Grazer Vorort Ragnitz! Der schockierte Bauherr nahm von dem Projekt Abstand, nicht ohne die beiden Architekten für ihren visionären Entwurf zu entlohnen.

Modell von "Stadt Ragnitz"

Modell von "Stadt Ragnitz"

ORF/ANNA SOUCEK

Für eine Ausstellung im Forum Stadtpark entwickelten Huth und Domenig das Konzept weiter und bauten ein Modell aus Basalholz. Der Architekt Eilfried Huth betont, dass die vertikale Wohnform Ragnitz kein rein utopisches Projekt sei. Denn die gesamte Struktur wurde von einem Statiker berechnet und wäre eigentlich baubar. Das Projekt wurde international publiziert und 1969 in Cannes mit dem "Grand Prix" für Urbanismus und Architektur ausgezeichnet. Es war der Grundstein für die Karrieren von Eilfried Huth und Günther Domenig, die ihre Arbeitsgemeinschaft Mitte der 1970er Jahre beendeten.

Gestaltung

  • Anna Soucek

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