VICTOR BRAZDIL
schön arbeiten
Geld. Arbeiten. Kapital. Es lässt mich nicht mehr los, dieses Dreigestirn. Eigentlich habe ich im Allgemeinen eine positive Einstellung zur Arbeit, aber ich muss mich schon ernsthaft fragen, was da los ist in der Welt und in meinem Leben.
1. Juni 2018, 02:00
Wo ganz plötzlich auch das Posten, Liken und Kommentieren, unter anderem oder vor allem zur Befütterung von Algorithmen, zu einer Art Arbeit geworden ist, der ich mitunter freudig, meist aber recht stumpfsinnig im stillen Kämmerlein nachgehe.
Und dass diese Arbeit dann noch ein unvorstellbares Milliardenvermögen eines Unternehmens an der Börse generiert, weil ich gezwungenermaßen freiwillig Daten preisgebe, ist recht eigentlich der Gipfel einer Unmöglichkeit, die ich mich zu begreifen zwar anschicke, deren geistige Durchdringung mir aber zunehmend schwer fällt.
Dann spreche ich auch nicht gern mit Maschinen, die den Arbeitsplatz eines Menschen ersetzt haben und mich am Ende immer wieder ins Hauptmenü zurückführen. Ich habe auch immer größere Angst vor Updates, die mich zwingen, schon wieder neue Techniken zum Bedienen von Maschinen zu lernen, und mir eine Unmenge Zeit rauben. Und so weiter.
Auch wenn ich mich dankenswerterweise nach wie vor in einer privilegierten Situation vorfinde, ist mir vieles an und in der Arbeit fremd geworden. Da kann man mal wieder Hannah Arendt lesen, der es (zum Glück) um etwas sehr Einfaches geht: darüber nachzudenken, was wir eigentlich tun, wenn wir tätig sind.
Sie hat in Vita activa ja zu Recht bemerkt, "dass wir eine Arbeitsgesellschaft sind, die von den Fesseln der Arbeit befreit werden soll, und dabei kaum noch die höheren und sinnvolleren Tätigkeiten kennen, um derentwillen sich eine Befreiung lohnen würde". Und weiters Marx lesen! Und damit der Empfehlung von Robert Kurz folgen, der die Wiederentdeckung dessen Lehren und Erkenntnisse fordert. "Aber nicht als Rückfall hinter seine Theorie, sondern als deren immanente Weiterentwicklung über die historisch bedingten und heute verfallenen Momente hinaus."
Marx hätte ja Rezipient/innen vorausgesetzt, die selbstständig weiterdenken. Man könne bei ihm als "Selbstunternehmer der Wissensgesellschaft nicht nur etwas über die Sinnlosigkeit und Gemeingefährlichkeit des arbeitswütigen Tuns und Treibens erfahren, sondern auch über dessen definitives Ende". Denn die Grenze der Arbeitsgesellschaft sei identisch mit der Grenze des Kapitalismus. Nun, so will ich also gern mit meiner Marx-Lektüre beginnen und ihm zuhören, wie er die entfremdete Arbeit als ein Hindernis auf dem Weg zu einem freien Menschsein erklärt.