Spiegelkabinett

AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS

Körperbilder zwischen on- und offline

Jugendkommunikation ist Bildkommunikation. Bild- und Videofokussierte Plattformen wie Youtube, Instagram und Snapchat boomen. Facebook gilt hingegen als "alt". Laut Jugend Internet Monitor 2017 nutzen 68 Prozent der Jugendlichen Instagram und nur mehr 48 Prozent Facebook. Besonders auffallend: Instagram wird von doppelt so vielen weiblichen wie männlichen Jugendlichen genutzt. Wer sich ins virtuelle Schaufenster Instagram stellt, begibt sich in eine Welt des schönen Scheins.

Eine 2016 erschienene Studie von Saferinternet.at zeigt, dass neun von zehn Jugendlichen regelmäßig Fotos und Videos online teilen. Sich selbst positiv darzustellen, ist die Hauptmotivation dafür. Dabei gilt: Wer den vorherrschenden Körpernormen entspricht, erhält positive Aufmerksamkeit in Form von Likes. Das erhört die Anerkennung in der Gruppe der Gleichaltrigen und Gleichgesinnten.

Kendall Jenner, 2015

Das Modell Kendall Jenner, jüngere Schwester der Königin der It-Girls Kim Kardashian, erzielte mit diesem Foto in Victoria's-Secret-Unterwäsche allein auf Instagram knapp 1,8 Millionen Likes. Ihre Abonnentenschaft beläuft sich auf 91,5 Millionen Follower.

Der 2018 eingeführte Instagram-Algorithmus verschärft diesen Mechanismus noch weiter: Nur Posts, die innerhalb der ersten Stunde nach ihrer Veröffentlichung viele Likes und Kommentare bekommen, werden allen Followern angezeigt.

Da wundert es nicht, dass in einer Studie von Pro Juventute Schweiz rund die Hälfte der befragten Jugendlichen angibt, dass die eigene Selbstwahrnehmung erheblich oder stark von Social Media beeinflusst wird. Laut der Studie ist rund die Hälfte der 13- bis 17-Jährigen nicht zufrieden mit dem eigenen Körper. 60 Prozent der Mädchen wären gerne schlanker und 77 Prozent der Buben hätten gerne mehr Muskeln.

"In Social Media werden ästhetische Standards definiert."

Wie junge Frauen die auf Social Media transportierten Schönheitsideale wahrnehmen, das hat Beate Großegger vom Wiener Institut für Jugendkulturforschung untersucht: "Medien haben schon immer Schönheitsideale definiert. Vor allem Mädchen und Frauen standen schon immer diesbezüglich stark unter Druck. Die jugendkulturrelevanten Social Media bringen aber neue Dynamik in die Sache. Und da ist es ganz besonders Instagram. Da zeigt man sich nicht, wie man ist. Da zeigt man sich auch nicht, wie man sich fühlt, sondern man zeigt ein Bild von sich, das man glaubt zeigen zu müssen, um Anerkennung zu finden. Instagram ist die Vorgabe optimierter Selbstpräsentation. Social Media sind eigentlich so was wie Super Peers. Dort werden Leitwerte gesetzt, dort werden ästhetische Standards definiert. "

Wer sich nicht optimiert ins virtuelle Schaufenster stellt, läuft Gefahr, negatives Feedback zu bekommen. Daher sind fast alle, der geposteten Bilder, nachbearbeitet. Dass die technischen Hilfsmittel genutzt werden, um ästhetische Perfektion zu erreichen, stört keinen, weiß Lisa Lewenbauer, Fitness-Bloggerin und Instagramerin: "Natürlich werden die Bilder auch bearbeitet. Ich würde sagen, dass keiner ein komplett rohes Bild postet. Das Mindeste ist irgendeinen Filter, der Kontrast, Helligkeit und die Farbintensität verändert. Oder auch die Wärme vom Bild, dass es wirklich einfach ansprechender ausschaut."

"Durchschnittliche, gesunde Körpermerkmale werden als dick empfunden."

Dass sich auch Widerstand gegen aufoktroyierte Schönheitsideale im Netz formieren kann, zeigt etwa das Beispiel des Protestsongs "Not Heidi‘s Girl". Anfang Februar 2018 laden sechs Mädchen den Anti-Germany‘s-Next-Topmodel-Song auf Youtube hoch, der schnell über 500.000 mal angesehen wurde.

Auch die Paperthin-Challenge, bei der Frauen zeigten, dass ihre Taille hinter ein aufgestelltes A4-Blatt passte, wurde auf die Schippe genommen: und zwar unter #notpaperthin

Not Heidis Girls

Not Heidis Girls

PINKSTINKS/MARKUS ABELE

Ebenso die 2017 erschienene Dokumentation Straight/Curve will andere als die von der Modeindustrie propagierten Körperbilder zeigen. Body-Positive-Aktivistinnen und Plussize-Models wie Ashley Graham und die auf Instagram entdeckte Molly Constable zeigen Körperformen abseits der Standards der Modeindustrie.

Dass Plussize-Models von jungen Frauen zwar bewundert, ihre Körper jedoch nicht als Vorbild betrachtet werden, hat die Saferinternet-Trainerin Elke Prochazka in ihren Workshops erfahren: "Man merkt, dass die Jugendlichen, optimierte Schönheitsideale so verinnerlicht haben, dass durchschnittliche, gesunden Körpermerkmale gar nicht mehr als normaler Körper empfunden werden, sondern schon als dick erlebt werden."

Verantwortung der Blogger/innen,und Influencer/innen

Umso mehr Verantwortung tragen für Saferinternet Trainerin Elke Prochazka Blogger und Bloggerinnen, Influencer und Influencerinnen. Sie sollten etwas mehr zu zeigen, wie sie wirklich sind. Ein Ziel, das Lisa Lewenbauer verfolgt, indem sie sich nicht dem Diktat des schönen Scheins beugt. Sie ist als "Lisa gets fit" auf Instagram unterwegs. Vor vier Jahren hat sie begonnen, auf ihrem Blog lililovely.com ihren steinigen Weg zu einem schlankeren, fitteren Körper zu dokumentieren. Sie bewegt sich damit abseits des Mainstreams und spricht ihre Follower gerade dadurch an, dass sie sich ehrlich zeigt - auch was ihren Körper betrifft:

"Wenn ich vorher-nachher Bilder poste, oder so nach dem Motto, meine aktuelle Form, dann bearbeite ich wirklich nur mit einem Filter. Zum Beispiel , wenn die Wärme vom Bild komisch ist, aber da achte ich dann darauf, dass dann nicht die Dehnungsstreifen verschwinden oder die Bauchfalte, die eventuell gerade vorhanden ist. Ich will ja zeigen, wie es jetzt im Moment ausschaut und es hätte überhaupt keinen Sinn, wenn ich das zum Beispiel mit Photoshop bearbeiten würde. Was ich noch nie gemacht habe, ist, dass ich meinen Körper bearbeitet habe für ein Bild, damit es anders ausschaut. Aber das liegt auch daran, dass es auf meinem Account um meinen Abnehmweg geht, und das hätte überhaupt keinen Sinn, wenn ich dann ein bearbeitetes Bild poste und sage, ok so schaue ich jetzt aus. "

Service

lili´s lovley life
Youtube - Not Heidi‘s Girl
Twitter - #notpaperthin
Instagram - Molly Constable
Straight/Curve