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Ambiente
Zu Besuch bei österreichischen Slow-Food Pionieren
Im Süden Österreichs befindet sich die weltweit erste Slow Food Travel Destination: das Gailtal und das Lesachtal in Kärnten. Rund um und in Hermagor haben sich zahlreiche Lebensmittelhandwerker-Betriebe dem Grundsatz „gut, sauber und fair“ verschrieben. Sie stellen ihre Produkte auf diese Weise her und verkaufen sie ab Hof direkt.
14. Juli 2018, 02:00
Ambiente
Die 1. Slow Food Region Österreichs 17 06 2018
Die Schattseite macht erfinderisch: "Lissi's kuhles Bauerneis"
Die siebenköpfige Familie Neuwirth lebt in Gundersheim, auf der Schattseite in Goderschach - 30 Kilometer westlich von Hermagor. Dort, auf dem traditionellen Maar-Hof betreiben die Neuwirths als Haupterwerbs-Bauern eine Landwirtschaft mit 20 "glücklichen Kühen", ein paar Schweinen und Gemüsegarten. Keine einfache Sache in Zeiten sinkender Milchpreise. Aber: das Leben auf der "Schattseite" macht erfinderisch und Elisabeth Neuwirth entschloss sich – nach der entsprechenden Ausbildung – auf ihrem Hof "Lissi's kuhles Bauerneis" zu produzieren und die nähere Umgebung damit zu beliefern. Eine Idee, die voll aufgegangen ist, denn nicht nur vorbeiradelnde Touristen schätzen das stets frisch zubereitete Milch – oder Fruchteis, auch die Gastronomiebetriebe der Region wollen auf diese regionale Köstlichkeit nicht mehr verzichten.
"Slow-Food war immer im Kopf"
Erdäpfel-Varietäten und Raritäten
Nicht weit von Goderschach entfernt, auf der anderen Seite der B111 ist der Zerza-Bauer in Kirchberg/Treßdorf zuhause, ebenfalls in einem jahrhundertealten ehrwürdigen Gebäude mit meterdicken Steinwänden. Auch Haimo Oberauner musste erfinderisch sei, um den Fortbestand seines Hofes sichern zu können. Mit der Viehwirtschaft allein hätte es nicht funktioniert. So hat er sich einer alten Tradition besonnen und vor sieben Jahren den Hof, den er von seinem Onkel übernommen hatte, komplett umgestellt und einen Teil der Anbauflächen mit den unterschiedlichsten alten, fast vergessenen Kartoffelsorten bepflanzt. Vielfalt ist seine Devise und diese präsentiert er auch gern seinen Besuchern. Von dunkelviolett bis hellrosa, von leuchtend rot bis kräftig gelb sind die unterschiedlich großen Knollen. Ackersegen, Angeliter Tannenzapfen oder Agata, Violetta und Linzer Blaue sind nur einige der insgesamt 25 Sorten, die auf dem Zerza-Hof gezüchtet werden.
Grüne Koschtalan aus dem Kräutergarten
Viele Kräuter und Blumen gibt es im Bauerngarten von Gertrude Wastian in Weißbriach im Gitschtal und alles was sie noch benötigt, holt die Seminarbäurin, die auch als Ernährungspädagogin tätig war, von der Wiese. Gemeinsam mit ihren Gästen bereitet sie allerlei Köstlichkeiten aus dem frischen Grün zu: mit Gänseblümchen, Kornblumen und Löwenzahn stellt sie Blütenbutter her, außerdem Dinkel-Kräuterweckerl und Kräutercracker. Als kulinarischer Mitbringsel hat sie Unkrautsalz, Unkrautpesto und den Kuchen im Glas entwickelt. Außerdem kann man bei Gertrude Wastian auch so einiges über die traditionelle Anwendung von Kräutern in der Volksheilkunde erfahren und die Kärntner Variante der Finger – Foods kennenlernen: "Grüne Koschtalan".

ORF/URSULA BURKERT
Claudia und Manuel Ressi
Slow Food als Lebenseinstellung im Bärenwirt von Hermagor
Der Bärenwirt befindet sich im Zentrum von Hermagor vis à vis von der Kirche. Untergebracht ist er in dem Ackerbürgerhaus "Lasser vulgo Lamprecht und Laber, ehemals vulgo Hanslmetzger", das schon über Generationen seit Beginn des letzten Jahrhunderts einen Gasthof sowie eine Fleischerei und Selcherei beherbergte. Seit 30. Oktober 2015 ist das Haus mit neuem – gastronomischen – Leben erfüllt. Da eröffnete nämlich der aus Radnig stammende Manuel Ressi, der jahrelang als rechte Hand von Steirereck-Chef Heinz Reitbauer in Wien tätig war, gemeinsam mit seiner Frau Claudia den traditionsreichen Bärenwirt – mit einem neuen Konzept. Das brachte ihm auch prompt den Titel "Gault-Millaut-Wirtshaus des Jahres 2018" ein. Ganz der Slow Food Philosophie verpflichtet geht es den beiden um achtsames Schmecken, Wahrnehmen, Verstehen, Zubereiten und Haltbarmachen von regionale Produkten.
Faszination Speck
Im Schloss Lerchenhof ist die Familie Steinwender schon seit vielen Generationen zuhause. Während Johann Steinwender junior für den Restaurantbetrieb die "Null Kilometer"– Philosophie entwickelt hat und auf absolute Regionalität beim Einsatz von Nahrungsmitteln in der Küche Wert legt, konnte sein Vater, Johann Steinwender senior, im Jahr 2017 ein Projekt verwirklichen, an dem er schon mehr als zehn Jahre arbeitete: ein privates kleines Wasserkraftwerk an der Gössering, dass nun das Schloss Lerchenhof sowie sämtliche Nebengebäude mit Strom versorgt und überdies die überschüssige Energie ins öffentliche Netz einspeist. Außerdem hat sich Hans Steinwender gemeinsam mit dem Fleischermeister Hans Georg Fercher schon seit Jahren ganz einem Qualitätsprodukt der Region verschrieben: dem Gailtaler Speck.
Ursula Burkert, oe1.ORF.at