Veronica Kaup-Hasler

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Interview

Veronica Kaup-Hasler - Große Visionen im kleinen Rahmen

Vor drei Wochen wurde Wiens neue Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler angelobt. Über ihre Pläne hat sie bisher geschwiegen, jetzt spricht sie Klartext.

Kaup-Hasler, Jahrgang 1968, war von 2006 bis 2017 Intendantin des Festivals steirischer herbst, das sie erfolgreich geführt und geprägt hat. Ihr offener Zugang zu allen Sparten der Kunst und Kultur, ihre internationale Vernetzung und ihr guter Kontakt zu den Kunstschaffenden und dem Publikum, sorgen für eine hohe Erwartungshaltung und viele Vorschusslorbeeren von Seiten der Kulturschaffenden. Energiegeladen, durchsetzungsstark, unbequem und laut, so wird sie charakterisiert. Wie sie mit diesen Eigenschaften die Herausforderungen der Wiener Kulturpolitik meistern will, darüber hat sie mit Ö1 gesprochen.

Das gesamte Interview

Katharina Menhofer

Weg mit den Lorbeerkränzen

"Zuerst einmal muss man den Kopf befreien von allen Lorbeerkränzen, damit man eine freie Sicht auf die Dinge hat und uneitel einen unverstellten Blick hat und die Festplatte frei zum Denken", sagt Veronica Kaup-Hasler. Ihr Denken ist groß, ihr Gestaltungswille stark, ihre Visionen zahlreich. Einzig der Rahmen ist ein wenig eng. Doch den will Kaup-Hasler maximal ausreizen und Dinge in diesem Land, das sie durchaus kritisch sieht, verändern und bewegen.

Kultur dorthin bringen, wo sie bisher nicht war, ist ihr erster Ansatz. Wien wachse, bekomme neue Distrikte und Zonen (etwa die Seestadt), und die Bevölkerung an den Rändern habe mehr verdient als Bespaßung und Cineplexxe. Es gehe aber nicht um eine koloniale Geste von oben herab. "Was mich nicht interessiert, sind irgendwelche Kunsthäufchen, die wir dort platzieren, und wenn ihr das nicht versteht, dann seid ihr wohl zu doof, das ist nicht meine Haltung."

Verlegung der Kunsthalle

Es gehe um nachhaltige Strukturen und Projekte. Und sogar eine Verlegung der Kunsthalle darf angedacht werden. Mit Experten und Expertinnen möchte sich das kulturpolitische Profil der Kunsthalle prüfen. "In dem wilden Denken, darf man so weit gehen, dass man natürlich sogar die Standort-Frage stellen darf. Wir müssen uns anschauen, was diese Kunsthalle in dem Museumsverbund vor Ort ist, was sie sein könnte, wenn sie dort bleibt, aber auch, was es für andere Optionen gibt, und ob es nicht besser wäre, wenn sie eventuell abwandert."

Zuerst die Struktur, dann die Personalentscheidungen - so Kaup-Hasler, auch was das Volkstheater betrifft, das ein schärferes Profil bekommen soll. "Wenn man mit einem Geschäftsführer oder einer Geschäftsführerin nicht zufrieden ist und die Leistung nicht in Ordnung ist, muss die Politik auch die Möglichkeit haben, neue Akzente zu setzen und neue Leute reinzusetzen. Ich möchte das Volkstheater neu orientieren, mit Offenheit, was die personelle Besetzung betrifft, einfach auch strukturell überdenken, ebenso die Kunsthalle und weiterdenken, was die Wiener Festwochen in ihrer bestmöglichen Gestalt sein können und für die Stadt bedeuten in der Zukunft."

Mit Gernot Blümel an der Hand

Das Wien Museum soll für 108 Millionen umgebaut werden, was die Sanierung des Volkstheaters anbelangt, habe die Stadt Wien ihren Anteil von 12 Millionen Euro bereits geleistet, jetzt sei der Bund dran, seine ebenfalls zugesagten 12 Millionen bereitzustellen. Mit Kulturminister Gernot Blümel will sie den Dialog suchen.

"Ich nehme ihn gerne mit meiner Expertise sehr gerne an die Hand und werde ihn mit meinem Tempo und Entscheidungsfreudigkeit auf den Weg mitnehmen und hoffe, dass der Bund seiner Verantwortung in vielen Bereichen auch nachkommt", so Kaup-Hasler.

Ein lange gefordertes Kunst-und Kulturfördergesetz für Wien (Wien ist das einzige Bundesland, in dem es so ein Gesetz nicht gibt) möchte sie in Angriff nehmen. Außerdem sollen freie Szene und etablierte Häuser nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden. "Daher werde ich nicht zulassen, dass man sich wie gierige Hunde um einen Knochen balgt und sich zerfetzt, und blöder Antagonismus gespielt wird, Hochkultur gegen freie Szene, das ist Nonsens und das sind überholte Klischees, denn in der freien Szene findet so viel unterschiedliches statt, von Avantgardepositionen bis zur Kleinkunst und natürlich auch Hochkultur, wenn man meint, dass das eine avancierte Kunstform ist. Ich möchte dafür sorgen, dass die Kunstszene adäquat gefördert wird, ich kann aber nicht Geld drucken leider."

Wieviel von Kaup-Haslers Plänen und Visionen, mit einem seit Jahren stagnierenden Wiener Kulturbudget umzusetzen sind, wird die Zukunft zeigen. Zu hoffen bleibt, dass das seltsame Wesen, als das sie sich bezeichnet hat, im politischen Tagesgeschäft nicht allzu schnell seine Exotik einbüßt.

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