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Skurril, poetisch bis absurd
Filmkolumne: Deutsche Verleihtitelblüten
Filmtitel ist nicht immer gleich Filmtitel. Denn auch wenn vom selben Film die Rede ist, so suggeriert der landesspezifische Verleihtitel in einer anderen Sprache oft etwas gänzlich anderes. Mit dem Originaltitel hat das oft nur noch wenig zu tun. Die Filmemacher selbst haben dabei kaum Einfluss darauf, denn die Titelwahl liegt meist in der Verantwortung der jeweiligen Verleihe. Von turbogeilen Gummibooten und einem Schuss Amore.
23. Juli 2018, 02:00
Kulturjournal | 22 06 2018
What's that? Vom Bookshop zum Buchladen
Ein Hotelzimmer in Berlin, beim Soundcheck kurz vor dem Interview mit der spanischen Filmemacherin Isabel Coixet. "Was ist das? Der Buchladen … was?", gerade hat Coixet das deutsche Filmplakat mit dem deutschen Verleihtitel ihres Filmes gesehen, und da steht nicht mehr wie im Original "The Bookshop", sondern etwas sperriger, verstaubter und umständlicher "Der Buchladen der Florence Green". "Das klingt nach einem Fernsehfilm", ärgert sich Coixet: "Einfach überflüssig." Sie habe nichts davon gewusst.
Wenn man danach sucht, stellt man schnell fest: der Satz "so der nicht ganz glücklich gewählte deutsche Verleihtitel" gehört quasi zum Standardrepertoire vieler deutschsprachiger Filmkritiker. Und die Verleihtitelblüten - sie finden sich quer durch die Filmgeschichte. Mal einfach skurril oder zum Kopf schütteln, "lost in translation", gar poetisch oder einfach nur absurd.
Ein Schuss Amore und Gondeln, die Trauer tragen
So brauchte das italienische Autorenkino der 1960er Jahre auf dem deutschen Markt wohl einen Schuss Amore im Titel. Denn obwohl Monica Vitti in Antonionis "L'Eclisse" (wörtlich übersetzt "Die Sonnenfinsternis") äußert, keine Lust auf eine Hochzeit zu haben und der Film eher von der Unfähigkeit zur Liebe als vom "grande amore" erzählt, verpasste ihm der deutsche Verleiher den Titel "Liebe 1962".
Und aus Antonionis "L'Avventura" (wörtlich übersetzt "das Abenteuer") wurden "Die mit der Liebe spielen". Aber die Umdeutungen dieser Jahre brachten den deutschen Kinotagebüchern auch einige ihrer schönsten Titelblüten.
So begrüßte Alfred Hitchcock sein Publikum im Trailer zu "North by Northwest" in der deutschen Fassung zu "Der unsichtbare Dritte". "Wenn die Gondeln Trauer tragen" klingt um einiges poetischer als "Don't Look Now" und bei "Spiel mir das Lied vom Tod" klingt die Mundharmonika schon im Titel mit.
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Turbogeile Gummiboote und das langsame Sterben
Daneben dominierten Titelanalogien, reine Übersetzungen die Kinoprogramme der 60er und 70er Jahre. Beispiel "Star Wars". Fast schon langweilig, wenn man weiter in den Annalen der kompromisslosen Neudeutungen blättern kann. Aus "Up the Creek" wurde 1984 "Das turbogeile Gummiboot". Irgendwie noch passend für diese feucht fröhliche Komödie.
Anders beim kaum streichelzootauglichen Psychodrama "Five Corners", das als "Pinguine in der Bronx" auf den deutschen Markt geworfen wurde. Und Titel wie "Hi-Hi-Hilfe" für "Help" schreien eher nach Verzweiflung denn nach einem Kinobesuch.
In den Top-Ten-Listen fremdsprachiger Verleihtitel für US-amerikanische Produktionen findet sich regelmäßig auch "Stirb langsam". Das "Die Hard", das im deutschen zu "Die slowly" wird, in Jugoslawien als "Männlich sterben" in den Kinos startete und in Italien zur "Trappola di cristallo" zur "Falle aus Kristall" wurde.
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Julia Roberts als Spatz, der zum Phoenix wird
Einer der vermeintlich schönsten chinesischen Verleihtitel ist übrigens nur ein Gerücht: "Ich werde eine Prostituierte heiraten und Geld sparen" war nur ein Zusatztext auf chinesischen Filmplakaten. Tatsächlich kam "Pretty Women" 1990 in Taiwan als "Ein Spatz wird zum Phoenix" in die Kinos.
"Wir machen Namen" lautet der Slogan der deutschen Agentur Namestorm, die ihr Geld damit verdient, nicht nur Namen für Firmen sondern eben auch Verleihtitel für Filme zu finden. Im Wortfolio (sic!) findet sich da etwa der Titel "Die Herzogin" - "The Duchess". Namestorm habe den maßgeschneiderten Untertitel "Im Glanz des Adels - Im Schatten der Liebe" entwickelt. Nun ja … Man will das Publikum ja bloß nicht überfordern.
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Kick It Like Beckham
Die Kinogeher, die Dummerchen
Einfach und einprägsam soll der Titel sein, weshalb immer öfter auch für den deutschen Markt neue englische Titel statt des Originals gesucht werden. "The Hitman's Bodyguard" wurde so für den Englisch Laien zu "Killer's Bodyguard". "Bend it like Beckham" zu "Kick it like Beckham" und weil man dem Publikum die Aussprache von "Miss Congeniality" wohl nicht zutraute, turnte Sandra Bullock als "Miss Undercover" über unsere Kinoleinwände. Dabei ist über die Jahre die Zahl der nichtübersetzten Originaltitel stetig gestiegen und liegt auf dem deutschen Markt mittlerweile bei rund 50 Prozent.
Und während die einen ob dieser Entwicklung jubeln, trauern die anderen dem schwindenden Gewerbe des Verleihtitelfinders nach. Denn aller Ärgernisse zum Trotz, "Der Stadtneurotiker" klingt verlockender als "Annie Hall", und der Titel "Glass Bottom Boat" hätte wohl tatsächlich weniger Besucher in die Kinos gelockt, als der "Spion in Spitzenhöschen".