Leonard Bernstein

AP/GALLINER

Zum 100. Geburtstag eines Musikgenies

Die Bernstein-Story

Er zählt zu den faszinierendsten Musikerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts: der US-amerikanische Komponist, Dirigent und Pianist Leonard Bernstein. Am 25. August wäre der 1918 in Lawrence, Massachusetts, als Sohn einer jüdischen Einwandererfamilie geborene Künstler 100 Jahre alt geworden.

Voller Leidenschaft und Charisma, sehr humorvoll und entwaffnend sympathisch - so beschreiben ihn die meisten, die ihn persönlich kannten: Leonard Bernstein war das, was man gemeinhin als "Vollblutmusiker" bezeichnet, dem es gelang, die sprühenden Funken seiner Musikbegeisterung auf Orchester wie Auditorium überspringen zu lassen.

Sein extravagantes, oft hemmungslos-wildes Dirigat entfachte ein Feuer, das zugleich faszinierte und irritierte. Bernstein, so spekulierte einst das "Time magazine", fülle die Konzertsäle wohl vor allem "mithilfe eines Sex-Appeals, den er von sich gibt wie ein exaltierter Zitteraal". Wohlwollende Kritiker/innen sahen darin vielmehr den Ausdruck großer Unmittelbarkeit und Wahrhaftigkeit.

Leonard Bernstein

Leonard Bernstein, 1957

AP

Für Klassik-Puristen "dubios"

Als Komponist war Leonard Bernstein ungemein vielseitig: Er schuf Symphonien, Opern, Klavier- und Kammermusik ebenso wie Film-, Ballett- und Broadway-Musik. Zu seinen erfolgreichsten Bühnenwerken zählen die Musicals "On the Town", "Candide" und, vor allem, "West Side Story". Für diesen Musiker - und auch das machte ihn zu einer, für viele Klassik-Purist/innen dubiosen, Ausnahmeerscheinung - gab es keine Unterscheidung zwischen "ernster" und "leichter", sondern nur zwischen "guter" und "schlechter" Musik.

So begeisterte er sich auch für zeitgenössische Popmusik - für Bob Dylan, die Rolling Stones und für die Beatles. Das freute seine älteste Tochter, Jamie. In vielen langen Gesprächen mit dem Vater, sagt sie, habe sie unendlich viel über Musik gelernt.

Young People’s Concerts

Selbst ungemein begeisterungsfähig und lernbegierig, war es Bernstein ein großes Anliegen, sein Wissen vor allem an die junge Generation weiterzugeben. Wie talentiert er als Lehrer war, dokumentiert die legendäre Konzertreihe "Young People’s Concerts": Zwischen 1958 und 1972 veranstaltete er mit den New Yorker Philharmonikern 53 solcher Konzerte für Kinder und Jugendliche, in denen er die Welt der Musik erklärte; und Bernsteins musikalische Botschaften erreichten Millionen von Menschen, denn die Konzerte wurden live im Fernsehen übertragen, übersetzt und in viele Länder verkauft.


Noch heute sprechen Leute Jamie Bernstein auf die "Young People’s Concerts" an und versichern, erst durch ihren Vater und dessen unkonventionelle Art der Vermittlung die Liebe zur Musik entdeckt zu haben.

Memoiren von Jamie Bernstein

Leonard Bernstein, so drückt es die Tochter aus, hatte zwei verschiedene Persönlichkeiten: Da war der extrovertierte Künstler, der andere Menschen und pulsierendes Leben um sich brauchte; und dann gab es noch den Komponisten, der, völlig isoliert von der Außenwelt, spätnachts und kettenrauchend Noten zu Papier brachte - ein Kraftakt für jemanden, der es im Grunde hasste, allein zu sein.

Leonard Bernstein

Leonard Bernstein, 1988

AP/OSAMU HONDA

Genial, exzessiv, lebensgierig auf der einen, depressiv und voll Versagensangst auf der anderen Seite - Leonard Bernstein war ein in vieler Hinsicht Zerrissener. Sein musikalisches Erbe trägt nun Tochter Jamie in die Welt. Sie hat vor Kurzem unter dem Titel "Famous Father Girl" ihre Memoiren herausgebracht.

Bernstein starb im Oktober 1990. Die Welt erinnert sich an ihn als Universalgenie, seiner Tochter ist vor allem ein Bild im Gedächtnis geblieben: der Vater in seinem braunen, wollenen Morgenmantel, der sich so kratzig anfühlte, wenn er sie in die Arme nahm und an sich drückte.

Gestaltung

Übersicht