Nico

AFP/ERIC FEFERBERG

Die Muse aus Köln

Biopic "Nico, 1988"

Sie wollte nie nur auf ihre New Yorker Jahre reduziert werden – und dennoch waren die Fragen nach Lou Reed, Velvet Underground und Andy Warhol bis an ihr Lebensende ein ständiger Begleiter. Christa Päffgen war als Nico aber nicht nur Sängerin sondern auch Stil-Ikone und Schauspielerin unter der Regie von Federico Fellini.

Eine starke Frau die vor genau dreißig Jahren im Juli 1988 starb. Umweht von Mythen, Drogeneskapaden und Vorwürfen für Rassismus anfällig zu sein. Eine Getriebene deren Aura Jim Morrison ebenso faszinierte wie John Cale. Dutzende Musiker berufen sich noch heute auf sie. Die Regisseurin Susanna Nicchiarelli widmet sich in ihrem Film "Nico, 1988" den letzten Jahren im Leben der Künstlerin, die mit viel Hingabe von Trine Dyrholm gespielt wird.

Morgenjournal | 20 07 2018

David Baldinger

Auf ihrem Grabstein in Berlin steht Christa Päffgen – darüber, größer und in vier schlichten Großbuchstaben der Name, den die Welt ihr gab: NICO. Schon bei diesen vier Buchstaben beginnt die Faszination Nico. Auch die Regisseurin Susanna Nicchiarelli wusste nicht so recht, ob Nico Mann oder Frau ist. Dazu diese Stimme, durchdringend und verletzlich gleichzeitig. "Wie viele andere habe auch ich mich gefragt, ob das ein Mann oder eine Frau ist weil sie diesen komischen Namen hatte. Dann habe ich mich mit ihr auseinandergesetzt, ihre Sachen nach Velvet Underground entdeckt." Nichiarelli hat sich in die Künstlerin Nico verliebt. In jene Frau für die "Nico" ein Name war, den sie in den späten 1980er Jahren nicht mehr hören wollte, weil er sie in der Vergangenheit einkerkerte.

Die Muse aus Köln

Die Vergangenheit – das waren jene Jahre in New York als die Kölnerin zur dunklen Schwester im Geiste von Jim Morrison, Lou Reed und Andy Warhol wurde. Zur Muse der Pop-Art. Schon davor hing sie mit Brian Jones herum und nahm mit Jimmy Page eine Platte auf. Später spielte dann Brian Eno für sie, Pattie Smith kaufte ihr ein neues Harmonium und Nico kreierte fast im Alleingang ein eigenes Genre, das ihre verschlungene Romantik, ihre Zerbrechlichkeit und ihren Flirt mit Abgründen vertonte – The Marble Index, ihre LP aus dem Jahr 1968 gilt heute vielen als erstes Gothic Album.

In Nichiarellis Film ist Nico kettenrauchende Existenzialistin, ihr Blick versunken im Nirgendwo. Nico lebt in Manchester, einer Stadt vor dem wirtschaftlichen Niedergang. Industriell und morbid. Hässlich – so wie Nico selbst, die längst der Schönheit abgeschworen hat. Es sind die Jahre des Kalten Kriegs, die Jahre von Tschernobyl und die Atmosphäre des Films harmoniert mit den poetischen Songskeletten Nicos.

Trotzkopf, Primadonna und kämpfende Mutter

Nichiarelli zeigt aber nicht nur ein Junkie-Schicksal sondern auch den Trotzkopf Nico. Die Frau, die sich nichts sagen lässt und ihre Bedürfnisse stillt ohne groß zu fragen. Eine kapriziöse Primadonna, heroinsüchtig und schwer cholerisch.

"Nico, 1988" wirkt, weil der Film den Lärm rund um eine Ikone reduziert und stattdessen die Annäherung einer Mutter an ihren entfremdeten Sohn zeigt. Ari entstand aus der Liaison von Nico mit Alain Delon – der allerdings hatte nie die Größe seinen Sohn anzuerkennen. Nico selbst bereut ihre jugendliche Verantwortungslosigkeit.

Im New York des Jonas Mekas

Stark ist "Nico, 1988" auch wenn Nichiarelli ihre Geschichte mit Original Archivaufnahmen verschneidet, wenn das New York der späten 1960er wiederaufersteht, mit sonnengefluteten Straßenschluchten und wackeligen Aufnahmen von Andy Warhol. Diese Passagen stammen von Jonas Mekas, dem litauischen Regisseur, der zur hippen Entourage Warhols zählte und das Factory-Treiben auf Kamera festhielt. Der heute 95-jährige Mekas wird längst als Pate des US-Avantegardekinos gefeiert.

Nico, 1988 feiert Christa Päffgen als eine, die sich nicht vereinnahmen ließ. Eine Frau, die wieder von Eleganz träumt und das Junkie-Dasein hinter sich lassen möchte. Die Film-Nico beeindruckt durch Rückgrat, Integrität und ihre angeborene Sturheit. Die industrielle Pop-Produktion erlebte sie bei Andy Warhol hautnah mit, mit oberflächlichem Glamour wollte sie nichts mehr zu tun haben. Sie wollte eine neue Nico oder die alte Christa sein.

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