Henning Mankell

APA/dpa/ROLF VENNENBERND

Der Sprengmeister

Mankells unbekannter Debütroman

Mit der zwölfteiligen Romanreihe rund um seinen Kommissar Wallander wurde Henning Mankell zu einem der berühmtesten Krimi-Autoren weltweit. Seine starke soziale Ader zeigte sich jedoch bereits in seinem Debütroman "Der Sprengmeister", der jetzt erstmals auf Deutsch erschienen ist.

Morgenjournal | 01 08 2018

Wolfgang Popp

Sätze wie Klingen

Seine Bekanntheit nutzte der 2015 verstorbene Schriftsteller stets, um sich sozial zu engagieren, vor allem in Afrika, wo er das Teatro Avenida leitete. Noch in einem seiner letzten Interviews betonte der damals schon schwer von seiner Krebserkrankung gezeichnete Henning Mankell, seinen Anspruch ans Schreiben: Jedes Wort, jeder Satz und jedes Rufzeichen, so sagte er damals, müsse in die Geschwüre der Gesellschaft schneiden.

Paris 1968

Das Revoluzzerhafte und die Auflehnung gegen soziale Missstände prägten Mankell von Jugend an und diese Haltung zeigt sich auch in seinem ersten Roman "Der Sprengmeister", so Herbert Ohrlinger, Leiter des Zsolnay-Verlags, bei dem Mankells Erstling jetzt erschienen ist: "Henning Mankell war damals Anfang zwanzig, er hat mit sechzehn die Schule abgebrochen und hat begonnen als Schiffsjunge auf einem Frachter, und ist dann 1968 in Paris gelandet. Zurück in Schweden hat er dann Artikel verfasst, vor allem hat er aber begonnen, als Dramatiker und Regisseur am Theater zu arbeiten."

Arbeiterklasse und Sozialdemokratie

Erzählt wird die Geschichte des titelgebenden Sprengmeisters Oskar Johannson, der 1911 bei einem Unfall, ein Auge und einen Arm verliert. Er erholt sich, kann wieder arbeiten und wird Familienvater. Bis zu dessen Tod im Jahr 1969 beobachtet Mankell den einfachen Arbeiter und erzählt gleichzeitig auch dessen wechselhafte Beziehung zur schwedischen sozialdemokratischen Partei.

Herbert Ohrlinger: "Dieser gesellschaftskritische Zug ist seinen Büchern bis zuletzt eingeschrieben, also auch den Kriminalromanen. Er nimmt immer die Seite der Benachteiligten ein. Außerdem finden sich auch spätere Motive wie die Verlustängste seiner Mutter und die schwierige Vater-Sohn-Beziehung."

Nüchterne Experimente

Stellt sich bei allem sozialen Engagement aber dennoch die Frage, ob "Der Sprengmeister" auch literarische Sprengkraft besitzt, ob der spätere gewitzte und leidenschaftliche Erzähler Henning Mankell also bereits im Erstling spürbar wird. Und da zeigt sich: Mankell wollte es von Anfang an wissen.

Die Sprache ist knapp, nüchtern, genau, dabei aber nicht ohne Empathie für seinen Protagonisten. Und was die Erzählweise betrifft, suchte der damals 24-jährige Mankell nicht die Sicherheit bekannter Fahrwasser, sondern das Experiment. Herbert Ohrlinger: "Die Erzählperspektiven wechseln - es gibt einen auktorialen Erzähler und einen Ich-Erzähler -, eine Vielzahl an Stimmen ist da also zu hören, die den Theaterautor zeigen. Außerdem ist sein Schreiben sehr unmittelbar, man merkt, er probiert aus; viele Dinge, die man aus späteren Büchern kennt, sind aber bereits angelegt."

Fazit: "Der Sprengmeister" funktioniert auch ohne die Marke Henning Mankell, für Mankell-Freunde schließt sich mit diesem Roman aber ein Kreis. Der alte Oskar Johannson beschließt sein Leben nämlich auf einer einsamen Schäreninsel, genau wie der Protagonist von Mankells letztem Roman "Die schwedischen Gummistiefel".

Service

Henning Mankell, "Der Sprengmeister", Roman, übersetzt aus dem Schwedischen von Verena Reichel, Annika Ernst, Zsolnay

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