Fleischhauer mit einer Lambhälfte

AP/PETER DEJONG

Die religiöse Praxis des Schächtens

Hitzigen Diskussionen über das Schächten, das rituelle Schlachten von Tieren, sind in den vergangenen Monaten gleich in mehreren Ländern Europas entbrannt. In Österreich wurde im Sommer über eine Eindämmung des Schächtens - aus Tierschutzgründen, wie es hieß - debattiert, in Italien liegen derzeit zwei konkrete Gesetzesvorschläge zu einem kompletten Verbot dieser religiösen Praxis auf dem Tisch. Auch in Belgien hat das Schächten die Gerichte beschäftigt, was eine strengere Regelung zur Folge hatte.

Halal Fleisch ist gefragt auf einem Markt im 15. Wiener Bezirk. Verschiedene Stücke vom Rind und vom Kalb, Hühnerfüße und Lammköpfe werden hier feilgeboten, für 2 Euro pro Stück. Für die Suppe eignen sich die gut, sagt der Fleischer, die Zunge sei auch sehr zu empfehlen.

Nach Angaben der Islamischen Glaubensgemeinschaft sind sechs österreichische Schlacht-Betriebe halal-zertifiziert. Es gebe durchaus kleinere Betriebe, in denen Muslime für Muslime schächten, so Enis Buzar, Halal-Beauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich. Doch meistens sei es so, dass Schlachthöfe, die schächten, auch sozusagen normal schlachten. In diesen Großbetrieben werde meist maschinell rituell geschlachtet.

Die Tötung wird durch Segenssprüche begleitet

Der Islam hat die Schächt-Prinzipien des Judentums größtenteils übernommen. Der Begriff Schächten stammt vom hebräischen Schahat, auf Deutsch eben Schlachten. Das halachisch korrekte Schlachten wird im Judentum Schechita genannt, jemand, der schächten darf, ist ein Schochet.

Beim Schächten wird dem Tier mit einem sogenannten Schächtmesser, das speziell vorbereitet werden muss und extrem scharf ist, innerhalb von einer Sekunde die Luft- und Speiseröhre durchtrennt. Die Tötung wird durch Segenssprüche begleitet, die, der für die Schlachtung speziell ausgebildeter Rabbiner spricht. Nur vollkommen gesunde Tiere dürfen geschächtet und ihr Fleisch anschließen als koscher vermarktet werden. Das bedeutet, dass Tiere die vor dem Schächtvorgang durch Stromschläge, Co2 oder einen Schussbolzen betäubt oder fast getötet werden nicht mehr für die koschere Schlachtung verwendet werden dürfen.

In Österreich werde - im Gegesatz zu Deutschland - kein koscheres Fleisch importiert, die Israelitische Kultusgemeinde habe ihre eigenen Schlachtungen, drei Schächtorganisationen unter der Leitung von Rabbinern, stellen sicher, dass korrekt geschächtet wird und das produzierte Fleisch koscher ist. Einen Export-Markt von koscherem Fleisch gebe es in Österreich nicht, sagt der Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Schlomo Hofmeister.

"Doch beherrsche dich und genieße kein Blut"

Ein Auszug aus der Torah, genauer aus dem fünften Buch Mose, dem Buch Deuteronomium, wird in diesem Zusammenhang gerne angeführt.

"Wenn der Herr, dein Gott, dein Gebiet vergrößert, wie er es dir zugesagt hat, und du, weil du Appetit auf Fleisch hast, sagst: Ich möchte gerne Fleisch essen, dann darfst du so viel Fleisch essen, wie du möchtest... Dann schlachte, so wie ich es dir erlaubt habe, Rinder, Schafe oder Ziegen, die der Herr dir geschenkt hat... Doch beherrsche dich und genieße kein Blut; denn Blut ist Lebenskraft und du sollst nicht zusammen mit dem Fleisch die Lebenskraft verzehren."

Oftmals werde in der Debatte fälschlicherweise behauptet, Juden müssten Tiere schächten, damit kein Blut im Fleisch zurückbleibe. Ein Missverständnis, klärt der Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Schlomo Hofmeister, auf: "Um das Blut aus dem Fleisch zu entfernen wird es nach dem Schlachtvorgang gewässert und gesalzen. Durch diesen Vorgang werden jene Bestandteile und Blut aus dem Fleisch entfernt, die für Jüdinnen und Juden laut ihrer Religion verboten sind."

Der Zeitpunkt der Betäubung

Aus rechtlicher Perspektive ist der entscheidende Unterschied zwischen sozusagen herkömmlichem Schlachten und rituellem Schlachten der Zeitpunkt der Betäubung, sagt Richard Potz, emeritierter Professor für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht an der Universität Wien. Schlachtungen ohne vorherige Betäubung sind EU-rechtlich zwar prinzipiell verboten, bei zwingenden religiösen Geboten oder Verboten einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft können die einzelnen Mitgliedstaaten aber Ausnahmen genehmigen - was das Schächten in den meisten Ländern erlaubt. Ob das Schächten, also das Töten ohne vorherige Betäubung mit heutigen Tierschutz-Standards vereinbar sei - eine endlos diskutierbare Frage meint Richard Potz.

Karin Strasser ist Tierärztin im Süden von Niederösterreich und beschäftigt sich seit Jahren eingehend mit dem Thema Tierethik insbesondere mit dem Schlachten. Sie steht der industriellen Fleischproduktion und auch speziell dem Schächten kritisch gegenüber. Denn es könne nicht garantiert werden, dass die Tiere bereits durch den Schächtschnitt und die unterbrochene Blutzufuhr ins Gehirn bewusstlos werden, so Strasser. So werde es von religiöser Seite jedoch argumentiert.

Zwischen 47 Sekunden und 2,3 Minuten

Zwischen Schnitt und Bewusstlosigkeit können je nach Lehrmeinung 47 Sekunden bis 2,3 Minuten liegen, so die Tierärztin Karin Strasser. Ein wesentlicher Fortschritt sei da schon das sogenannt Post-cut-stunning - also das unmittelbare Betäuben nach dem Schnitt, das seit fünf Jahren eine Grundbedingung für das Schächten ist.

Noch besser wäre es aus tiermedizinischer und tierethischer Sicht, das Tier bekäme vor der Schlachtung eine reversible Betäubung, die es eben gesundheitlich nicht beeinträchtigen würde. Da gäbe es international im Reformjudentum und noch weiter verbreitet in den islamischen Gemeinschaften wenige Einwände dagegen, so Strasser. Für die Tierärztin liegt das Problem in einer strengen, traditionellen Auslegung der Religion - sowohl im Judentum als auch im Islam.

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