Noam Chomsky

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Diagonal

Noam Chomsky - Linguist. Anarchist. Popstar

Er war über Jahre die meist zitierte lebende Person der Welt. Noam Chomsky, geboren 1928, selbst ernannter Anarchist, für die Linken genialer Querdenker, sprichwörtlich "rotes Tuch" für alle anderen. Begründet hat er seinen Ruf noch als Revolutionär in seinem Fach, der Linguistik. Mit der Auffassung, dass wir Sprache lernen, indem wir angeborene Fähigkeiten entfalten.

Eine Dreiviertelstunde und keine Minute länger, sagte mir seine Sekretärin, Beverly Stohl. Es war April 2017, ich war nach Cambridge an das Massachusetts Institute of Technology gereist, um Noam Chomsky für die "Zeit im Bild 2" zu interviewen. Journalisten seien so enthusiastisch, sagte Stohl, wenn sie einmal ein Interview mit dem Intellektuellen bekämen, dass sie in ihrem Frage-Eifer kaum zu bremsen seien.

Breitest möglicher intellektueller Diskurs

Mein Kontakt mit Chomsky hatte schon im Jahr 2015 begonnen. In einem Internetforum hatte ich damals gelesen, dass Chomsky wirklich jedem antwortet, der ihm schreibt, vorausgesetzt, es ist ein ernsthaftes Anliegen. Also begann ich, mit ihm über Journalismus zu diskutieren. Zwei Jahre später war ich am MIT, um den vielleicht bekanntesten linken Intellektuellen der Gegenwart zu interviewen, einen der meistzitierten Autoren der Geschichte.

Links denkende Menschen geben seine Argumente gern als ihre eigenen wieder, oder verwenden sie offenerweise als eine Art Gütesiegel. Sie sehen ihn als jemanden, der den Finger in die Wunde legt, der leidenschaftliche und scharfe Herrschaftskritik betreibt. Chomsky, der Messias, könnten rechts denkende Menschen spöttisch behaupten.

Noam Chomsky

Aus Sicht der Herrschenden ist Solidaridät gefährlich. Jeder soll sich nur um sich selbst kümmern, nicht um andere

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Sein Büro am MIT war klein und unordentlich. Hunderte Bücher und Unterlagen füllten zum Teil geordnet, zum Teil quer gestreut den Raum. Er lese jeden Tag ein Dutzend wissenschaftliche Artikel über Linguistik und die Weltpolitik, und dazu noch alle Zeitungen, sagte mir Chomskys Sekretärin.

Am Anfang war Trump

Mein Kontakt mit Chomsky hatte schon im Jahr 2015 begonnen. In einem Internetforum hatte ich damals gelesen, dass Chomsky wirklich jedem antwortet, der ihm schreibt, vorausgesetzt, es ist ein ernsthaftes Anliegen. Also begann ich, mit ihm über Journalismus zu diskutieren. Zwei Jahre später war ich am MIT, um den vielleicht bekanntesten linken Intellektuellen der Gegenwart zu interviewen, einen der meistzitierten Autoren der Geschichte.

Links denkende Menschen geben seine Argumente gern als ihre eigenen wieder, oder verwenden sie offenerweise als eine Art Gütesiegel. Sie sehen ihn als jemanden, der den Finger in die Wunde legt, der leidenschaftliche und scharfe Herrschaftskritik betreibt. Chomsky, der Messias, könnten rechts denkende Menschen spöttisch behaupten.

Seit Jahrzehnten äußert sich Chomsky zu sämtlichen Kriegen und Krisenherden, was ihn aber meines Erachtens am meisten echauffiert, ist die Doppelmoral politischer Macht. So auch in meinem Interview mit ihm. Wenn Vertreter/innen von US-Regierungen andere Länder zur Einhaltung von Menschenrechten ermahnen, kontert Chomsky, bis in die Haarspitzen konzentriert , mit empirischen Daten über Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen der USA.

Auf nach Arizona

Im Herbst 2017 hat Chomsky im Alter von 88 Jahren seinen Lebensmittelpunkt in den US-Bundesstaat Arizona verlegt. Nun lehrt er an der University of Arizona, umgeben von vielen seiner ehemaligen Studenten vom MIT.

Am 7. Dezember wird der Intellektuelle 90 Jahre alt. Also fliege ich nach Arizona, um ihn diesmal für "Diagonal" zu interviewen. Anschließend besuche ich auch das MIT nochmals, um mit einigen seiner ehemaligen Weggefährt/innen zu reden. Dieses Mal habe ich eine ganze Stunde Interviewzeit mit Chomsky bekommen, vielleicht sogar noch ein paar Minuten mehr, und das ist gut so, ergeben sich für "Diagonal" doch weite Themenfelder, auch jenseits eines aktuellen Präsidentenamtes; beginnend mit dem weiten Weg von einer generativen Transformationsgrammatik und ihren innovativen Beschreibungsmethoden der Fähigkeit der sprechenden Menschen, mit einer begrenzten Anzahl von Regeln und Wörtern eine unbegrenzte Anzahl von Sätzen „generieren“ zu können, bis hin zu jenen revolutionären Analysen des Gesellschaftlichen inklusive messerscharfer Analysen US-amerikanischer Politstrukturen des Generierens einer balancierenden Gewaltenteilung .

Dieser Text von Johannes Perterer entstammt dem Ö1 Magazin gehört.