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Film
"Alles ist gut" - Debütfilm von Eva Trobisch
Seit rund einem Jahr läuft unter #metoo eine öffentliche und vielfach über soziale Medien ausgetragene Diskussion über die Ausmaß sexueller Belästigung und sexueller Übergriffe. Ob diese Debatte dem deutschen Film "Alles ist gut" mehr oder weniger geholfen hat, ist unklar, in jedem Fall zeigt die 35-jährige Berliner Regisseurin Eva Trobisch den Fall einer Vergewaltigung mit einer ungewöhnlichen Reaktion des Opfers.
30. Dezember 2018, 02:00
Mittagsjournal | 29 11 2018
Kulturjournal | 29 11 2018 | Gespräch mit Eva Trobisch
Arnold Schnötzinger
"Echt jetzt?!" - Mit einem trocken-sarkastischen Kommentar lässt Janne (Aenne Schwarz) die Vergewaltigung über sich ergehen. Und auch danach spielt die selbstbewusste und moderne Frau Anfang 30 den Vorfall herunter, etwa gegenüber ihrer Mutter. "Alles ist gut", mit dieser Devise versucht sich Janne in die Normalität hinüber zu retten, weigert sich von Anfang an, die üblichen Verhaltensmuster in derartigen Fällen, also Täter-Opfer-Schablonen zu bedienen.
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Regisseurin Eva Trobisch: "Ich bekomme bei Publikumsdiskussionen immer wieder die Rückmeldung, dass meine Hauptfigur verdränge, aber vielleicht ist das ja auch ihr gutes Recht. Wer sind wir, dass wir uns ein Urteil darüber anmaßen."
Suche nach Absolution
Eva Trobisch bettet den Vorfall in eine diffizile Lebenssituation der jungen Frau ein: Gerade ist der mit dem Partner geführte Kleinverlag Pleite gegangen, gerade schmieden die beiden trotzdem gemeinsame Zukunftspläne, renovieren ein Haus und gerade auch bekommt Janne ein attraktives Jobangebot. Der Film lotet aber vor allem den Verhandlungsspielraum zwischen Janne und ihrem Vergewaltiger aus. Ihn plagt ein schlechtes Gewissen, er entschuldigt sich, sucht nach Absolution. Die er aber nicht bekommt. "Kannst mir ja einmal eine Tafel Schokolade vorbeibringen", lässt ihn Janne abblitzen.
MeToo-Debatte "zu hysterisch"
Doch auch wenn Janne darauf beharrt, sich ihre Interpretation der Vorgänge, also auch die Kontrolle, zu bewahren, so entgleitet ihr das Leben, geht ihre Beziehung die Brüche. Eine Folge besagter Verdrängung? Vielleicht, doch die Situation ist komplexer. Vieles kommt hier einfach zusammen. Eva Trobisch verwehrt sich eben gegen eindeutige Zuschreibungen, von denen manche öffentlichen Debatten geprägt sind, wie etwa die MeToo-Debatte, auch wenn der Film bereits zuvor entstanden ist: "Mir ist MeToo zu hysterisch und zu undifferenziert, denn es wird kaum mehr unterschieden zwischen dem flotten Spruch am Kopierer und einer handfesten Vergewaltigung."
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Prinzip der Beiläufigkeit
Ganz und gar unhysterisch ist denn auch Eva Trobischs Inszenierungsstil. Sie huldigt dem Prinzip der Beiläufigkeit anstelle vorsätzlicher Zuspitzung. Beklemmend sind die Mauern des Schweigens, die der Film auftürmt, beklemmend auch, weil er dem Kinopublikum konventionelle Katharsis-Momente verweigert. Empfindet man das als Provokation, ist der Zweck des Films erreicht, also vielleicht ein Weg gefunden, von der reflexhaften Empörung zur reflektierten Erkenntnis zu gelangen.
Gestaltung
- Arnold Schnötzinger