Jonas Mekas

AFP/MICHAEL LOCCISANO

1922-1919

Filmregisseur Jonas Mekas gestorben

Als glücklicher Mensch, der die schönsten Entdeckungen macht, weil er nichts sucht, hat sich der Filmemacher Jonas Mekas einmal bezeichnet. Seit den 1950er Jahren galt der gebürtige Litauer als eine der Schlüsselfiguren des amerikanischen Avantgardefilms. Gestern starb Mekas in New York im Alter von 96 Jahren.

Kulturjournal | 24 01 2019

Wolfgang Popp

Als Mann mit der Bolex-Kamera war Jonas Mekas ab den 50er Jahren in New York bekannt. Überallhin hat er sie mitgenommen, denn jederzeit konnten sich diese kostbaren Augenblicke offenbaren, auf die es ihm ankam.

Filmender Dichter

Wie ein japanischer Haiku-Dichter, sagt Jonas Mekas, wollte er diese Stimmungsmomente konzentriert und verdichtet bewahren. Erst 1969 konnte Mekas diese filmischen Skizzen und Notizen zu seinem ersten großen Meisterwerk "Walden" zusammenfügen. Damit revolutionierte er aber gleich das Genre des Tagebuchfilms. Der außergewöhnliche Rhythmus von "Walden" war aber schon zum Zeitpunkt des Filmens entstanden. Zu hören ist in "Walden" manchmal der Originalton, manchmal entstand die Tonspur aber auch erst am Schnittplatz.

"Ich sehe mir mein Material an wie eine neue Realität. Und auf die reagiere ich dann", so Jonas Mekas im Gespräch mit Ö1. "Manchmal sage ich einfach, was ich mir denke oder ich spiele eine bestimmte Musik dazu. Es geht mir aber nie darum, das Material zu illustrieren, sondern ich will ihm etwas ganz Neues hinzufügen."

Die Ernsthaftigkeit des Bauern

Geboren wurde Jonas Mekas 1922 in einem kleinen Dorf in Litauen. Seine Eltern waren Bauern und die Arbeit auf dem Hof hat sein Filmemachen stark beeinflusst. Jonas Mekas: "Als Bauer liebt man die Tiere und den Boden und die Jahreszeiten. Man pflanzt etwas an und kümmert sich dann darum. Es geht da um eine Ernsthaftigkeit und um Liebe und Zuwendung zu dem, was man tut."

Im Zweiten Weltkrieg flüchtete Mekas abwechselnd vor den Nazis und Stalins "Roter Armee".

Es geht ums Wollen

Im Oktober 1949 emigrierte er in die USA Damals schrieb er vorrangig Gedichte, doch dann, nur wenige Wochen nach seiner Ankunft in New York kaufte er mit geborgtem Geld seine erste Kamera. Jonas Mekas: "Man plant nicht, sondern lebt einfach sein Leben. Es geht ums Wollen. Wenn man etwas tun will, braucht man keinen Plan. Wenn man schreiben will, besorgt man sich irgendwie eine Schreibmaschine oder einfach nur einen Stift und ein Blatt Papier. Und wenn man Filme machen will, tut man eben alles, um an eine Kamera heranzukommen."

Mittelpunkt der Avantgardeszene

In New York begründete Jonas Mekas Anfang der 50er Jahre die Zeitschrift "Film Culture". 1962 hob er die "Filmmaker’s Cooperative" aus der Taufe, seine Wohnung wurde daraufhin schnell zum Veranstaltungsort und Diskussionszentrum für Avantgardefilmer wie Jack Smith, Ken Jacobs oder Stan Brakhage.

Aber auch Künstler aus anderen Bereichen wurden zu Dauergästen. Jonas Mekas: "Andy war einer der vielen Menschen, die jeden Abend kamen. Ich wusste anfangs gar nicht, wer das ist; erst später fand ich heraus, dass der Mann, der da in meinem Loft mit alle den anderen auf dem Boden saß und diskutierte Andy Warhol war. Er war gekommen, weil er sich für unsere Arbeit interessierte und auch selber Filmemacher werden wollte."

Inmitten der High Society

Bei Warhols Film "Empire", in dem über acht Stunden hinweg das New Yorker Empire State Building zu sehen ist, hat Jonas Mekas später die Kamera geführt. Und in seinem Film "Scenes from the life of Andy Warhol" hat er dem Pop-Art-Künstler ein Denkmal gesetzt.

Überhaupt war Jonas Mekas immer wieder im Dunstkreis der High Society zu finden. Zu seinen Bekannten gehörten Celebrities wie Salvador Dali oder die Präsidentenwitwe Jackie Kennedy. Jonas Mekas: "Ich bin zu keinem von ihnen hingegangen. Es waren immer sie, die zu mir gekommen sind. Jackie suchte einen Lehrer, der ihren Kindern das Filmemachen beibrachte. Jemand schlug mich vor und so kam sie zu mir und ich sagte zu."

Jonas Mekas

AP/CHARLES SYKES

Jonas Mekas, 2014

Keine Angst vor neuen Ideologien

Jahrzehntelang hatte Mekas mit seiner Bolex auf 16 Millimeterfilm gedreht. Als dann aber Video aufkam und das Filmemachen revolutionierte, interessierte sich Mekas gleich für die neue Technik. Jonas Mekas: "Ich bin sehr glücklich, dass ich auf Video umgestiegen bin, weil ich damals begonnen hatte, mich zu wiederholen. Ich stand also vor der Entscheidung, es entweder ganz bleiben zu lassen, oder mit einem neuen Gerät zu einer neuen Betrachtungsweise zu finden."

Länger sind die Einstellungen dadurch geworden, der Rhythmus ist dadurch weniger flackernd. Die Kamera sucht jetzt nicht mehr im Schnitt, sondern im Schwenk nach dem Moment, auf den es ankommt.

Tag für Tag im Internet

Und noch eine andere neue Technologie hat Jonas Mekas aufgegriffen und sich von ihr beeinflussen lassen. Das Internet. Setzte er früher sein Material in langwieriger Arbeit am Schnittplatz zu epischen Filmen von drei oder gar fünf Stunden Länge zusammen, so ging er jetzt dazu über, seine Filme regelmäßig zu produzieren und ins Netz zu stellen. 2007 schaffte er es in seinem "365 Day Project" sogar ein Jahr hindurch jeden Tag einen Film zu veröffentlichen.

Service

Jonas Mekas - 365 Day Project

Gestaltung

  • Wolfgang Popp