2019 TWENTIETH CENTURY FOX
Kino
"The Favourite" - Gefährliche Liebschaften am britischen Hof
Mit gleich zehn Nominierungen - darunter in den Kategorien bester Film und beste Regie - geht "The Favourite" als einer der großen Favoriten in die heurige Oscar-Verleihung. Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos erzählt darin von Neid und Intrigen am britischen Königshof Anfang des 18. Jahrhunderts, rund um eine gebrechliche Queen Anne.
23. Februar 2019, 02:00
Olivia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone sind als beste Haupt- und Nebendarstellerinnen für einen Oscar nominiert.
Morgenjournal | 23 01 2019
2019 TWENTIETH CENTURY FOX
Lust an Überzeichnung
Nur manchmal mache es Spaß, Königin zu sein, sagt Olivia Coleman als Queen Anne. Aber es ist in jeder Szene dieses Films ein Fest, ihr dabei zuzusehen. Wie ein weinerliches großes Kind wird sie mit ihren Stimmungsschwankungen durch die Gänge des Palastes gerollt, getragen oder gestützt: Von Lady Sarah, ihrer Vertrauten und heimlichen Geliebten, die ihr die Fäden der Macht längst aus der Hand genommen hat, und dann Abigail, der gefallenen Lady, die sich in diesen gut zwei Kinostunden vom Küchenboden, durch das Bett der Königin bis an deren Seite hocharbeiten wird.
Diese drei komplexen Frauenfiguren stellt Yorgos Lanthimos mit Lust an Überzeichnung und Groteske in das Zentrum seines Films. Sie arbeiten sich einander ab, zwischen Sexerpressung, Intrigen und freudigen Boshaftigkeiten, die immer weiter gesteigert werden, um letztlich die Verletzlichkeit, die Einsamkeit und Trauer unter den Kostümen freizulegen. Queen Ann hat 17 Kaninchen in ihrem Zimmer: eines für jedes Kind, das sie verloren hat.
Ein Hummer-Wettlauf und der Krieg als Fest
Er habe diese Figuren in ihrer Menschlichkeit zeigen wollen, so Yorgos Lanthimos, der schon bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Regiepreis ausgezeichnet worden ist, Olivia Colman als beste Hauptdarstellerin. "Wir wollten sie so komplex und kompliziert, wunderbar und erschreckend zeigen, wie Menschen nun einmal sind", so Lanthimos. Komplexe und widersprüchliche Charaktere, die mit zu viel Macht ausgestattet, ein von der Realität abgehobenes und dadurch umso gefährlicheres Spiel spielen. "Mir war es vor allem wichtig nachzuzeichnen, wie diese wenigen Leute basierend auf ihrer Meinung, auf ihren Stimmungen und Launen politische Entscheidungen treffen, deren Folgen Millionen von Menschen zu tragen haben."
In einem ihrer politisch hellsten Momente, vergleicht die Königin den Krieg gegen Frankreich mit einem Fest. Davor und danach werden Tauben geschossen, Gänse und Hummer in einen Wettlauf geschickt, letztere dann auch verspeist.
Historie als Startpunkt für Kinophantasterei
Der historische Rahmen dieses Films ist so real wie seine Figuren und Schauplätze. Aber Lanthimos hat die Geschichte nur als Startpunkt genutzt, um dann über die Beziehungen zwischen den Frauen, die in überlieferten Briefen nur erahnt werden können, frei zu spekulieren. Und er bettet dies in eine Inszenierung ein, die so schrill ist wie die opulenten Kostüme, Masken und Perücken - sich dabei aber immer richtig anfühlt. Lanthimos filmt die Prunksäle in einer Weitwinkeloptik, mit teils perspektivischen Verzeichnungen an den Rändern, arbeitet mit Überblendungen und Zeitlupen.
Dieses Projekt habe zu extremen Lösungen eingeladen, so der Regisseur, der nicht zuletzt deswegen neun Jahre an "The Favourite" gearbeitet hat, weil er auf seine Idealbesetzung - das Trio Colman, Stone, Weisz - gewartet hat. Und das Warten hat sich gelohnt.