Christian Ludwig Attersee, „Feuerstelle“, 2011 (Ausschnitt)

BELVEDERE WIEN/JOHANNES STOLL

Ausstellung

Christian Ludwig Attersee: "Kleider sind Prothesen"

Bekannt ist er für seine expressiven Farbexplosionen, die Leinwände, Häuserfronten oder auch Weinetiketten erobern. Christian Ludwig Attersee steht für eine unverwechselbare künstlerische Handschrift und hat aus seinem Namen eine Marke gemacht. Das Belvedere 21 widmet dem großen österreichischen Künstler nun eine Schau, die sich vor allem auf die frühe Schaffensperiode Attersees konzentriert.

Mittagsjournal | 31 01 2019

Christine Scheucher

Gegenständliche Bildmotive, die an die Pop-Art erinnern, surreale Gedankenexperimente mit Acryl auf die Leinwand gebannt. In den späten 1960er Jahren erfrischt der junge Christian Ludwig Attersee das Parkett der österreichischen Gegenwartskunst und bereichert es um eine Spielart der Pop-Art, die zwischen Erotik und Ironie pendelt.

Attersee mit Speisekugeln, 1966

HANNI RÜHM-KLEWAN

Attersee mit Speisekugeln, 1966

"Attersee war singulär"

In den österreichischen Akademien dominieren fantastischer Realismus und informelle Malerei, die Wiener Aktionisten schicken sich an, das verschlafene Nachkriegsösterreich wachzurütteln. In diesem Umfeld bleibt Christian Ludwig Attersee ein Außenseiter, so Belvedere-Direktorin Stella Rollig. "Man hat ihn oft einen Pop-Art-Künstler genannt, aber das muss man korrigieren. Die Pop-Art beschäftigt sich mit der Konsumwelt und Attersee schafft seine Welt, Attersee transformiert, was da ist, Attersee kommt mit immer neuen Ideen, Attersee war singulär."

Berühmt ist Christian Ludwig Attersee für seinen expressiven Zeichenstil, der ins Malerische ausstrahlt. In der Ausstellung "Feuerstelle", die sich dem Frühwerk des Künstlers widmet, entdeckt Kuratorin Britta Schmitz gänzlich neue Facetten seines Werks. Attersee entwarf surreal anmutende Objekte wie den so genannten Würfel-BH, oder das Prothesenalphabet, das man als Beinprothese verwenden konnte. Der junge Künstler setzte sich auch selbst gekonnt in Szene. Als attraktiver Mann, dessen Schönheit in ganz Wien bewundert worden ist, unterläuft Attersee lustvoll tradierte Rollenklischees, posiert nackt vor der Kamera, lichtet sich lange vor Glam Rock geschminkt oder mit Perücke ab.

Ausstellungsansicht

BELVEDERE WIEN/JOHANNES STOLL

Let's talk about gender fluidity!

"Es ist fast wie eine Parodie und gleichzeitig ist es aber auch eine Doppelinszenierung. Das heißt, ich bin in meinen Bildern die dargestellte Frau und der dargestellte Mann. Indem ich diese Rollen annehme, erlebe ich das Bild viel intensiver", sagt Attersee. Christian Ludwig Attersee selbst bezeichnet sich als Maler der Erotik. Der nackte Körper bleibt ein Bildmotiv, das sein Werk dominiert. "Kleider sind Prothesen. Wir verkleiden uns. So gesehen, bedeutet die Nacktheit in meiner Kunst unsere große Freiheit", sagt Attersee.

Vergangenen Dezember erregte ein Plakat, das Christian Ludwig Attersee für den Damen-Skiweltcup am Semmering entworfen hat, die Gemüter. Abgebildet war eine nackte Skifahrerin. In den Sozialen Netzwerken erntete Attersee einen Shitstorm: In Anbetracht der aktuellen Missbrauchsdebatte im ÖSV, kritisierte unter anderen die ehemalige Rennläuferin Nicola Werdenigg, sei das Sujet unpassend. Attersee konterte, dass er seit Jahren Sportplakate mit nackten Männern wie Frauen gestalte. Bricht sich im Windschatten der MeToo-Bewegung also eine neue Prüderie Bahn, die darin mündet, dass Nacktheit in der Kunst wie zu Schieles Zeiten tabuisiert, skandalisiert und letzthin zensuriert wird?

Die Rückkehr zur Prüderie?

"Frau Werdenigg hat vollkommen recht, wenn sie ihre Meinung äußert, aber sie hat nicht das Recht zu verlangen, dass mein Plakat abgehängt wird. Ich kann auch nicht verlangen, dass in der Bruegel-Ausstellung Bilder abgehängt werden. Dort waren großteils Nackte ausgestellt", so Christian Ludwig Attersee. Das Belvedere 21 widmet dem großen österreichischen Künstler eine Einzelausstellung, die die Bedeutung von Attersees Frühwerk für die österreichische Kunstlandschaft neu bewertet. Eine Möglichkeit, gänzlich neue Facetten des Künstlers zu entdecken.

Service

"Feuerstelle"- Attersee-Ausstellung im Belvedere 21, 1. Februar bis 18. August 2019

Gestaltung