Radka Denemarkova

MILAN MALICEK

Literatur

Radka Denemarkova: "Ein Beitrag zur Geschichte der Freude"

Tschechien ist heuer Gastland bei der Leipziger Buchmesse – mit rund 70 Neuerscheinungen will man im deutschen Sprachraum durchstarten. Ganz vorne mit dabei ist da Radka Denemarkova, die wohl wichtigste tschechische Autorin der Gegenwart.

Ihre Romane, die die dunklen Flecken europäischer Geschichte ausleuchten, wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt und schon drei Mal wurde Radka Denemarkova mit dem renommierten tschechischen Magnesia-Litera-Preis ausgezeichnet. Soeben auf Deutsch erschienen: "Ein Beitrag zur Geschichte der Freude".

Morgenjournal | 08 02 2019

Kristina Pfoser

Die Arroganz der Macht

"Ich bin nicht der Arzt, ich bin der Schmerz", sagt Radka Denemarkova, "das heißt, ich gebe den Opfern meine Stimme, jenen, die nicht gehört werden." - Das tat Denemarkova bereits anno 2006 in ihrem mehrfach ausgezeichneten Roman "Ein herrlicher Flecken Erde", der ihr den Durchbruch beschert hatte, ein Roman, der sich an ein Tabuthema gewagt hatte: die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. "Bis heute haben wir uns nicht unserer Vergangenheit gestellt", sagt Radka Denemarkova, "und das ist unser Verhängnis. Deshalb haben wir auch einen Ministerpräsidenten, der Mitarbeiter der Staatssicherheit war. Diese alten Muster sind wieder da, diese patriarchalischen Muster, auch die Arroganz der Macht. Die besten Freunde sind Russland und China, alle wollen nur Geschäfte machen, alle vergessen, was für Europa wichtig war und ist und dieser ökonomische Pragmatismus kombiniert mit dieser alten Mentalität – das ist wirklich der Weg in die Hölle."

Gewalt gegen Frauen

Geschichtsvergessenheit, Nationalismus, Antisemitismus - jahrelang habe sie sich an diesen Themen abgearbeitet und dann habe sie sich gesagt: "es reicht, wir sind auch Teil der Menschheit." - Um ein großes Menschheitsthema geht es denn auch in dem neuen soeben auf Deutsch erschienenen Roman von Radka Denemarkova - das Thema Gewalt gegen Frauen. "Ein Beitrag zur Geschichte der Freude" - der Titel ist irreführend. Was als Kriminalroman beginnt, führt bald in ein privates Archiv, in dem tausende Fälle von Misshandlung und Vergewaltigung protokolliert sind - Dokumente aus der Zeit vom Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart.

Fakten und Fiktion

"Wir haben kein Gedächtnis - wir sind das Gedächtnis", schreibt Denemarkova. Der Fall der 23-jährigen Inderin, die 2012 nach einer Gruppenvergewaltigung starb, kommt hier ebenso zur Sprache wie Zwangsprostitution oder Vergewaltigung als Kriegsverbrechen. Zwischen Fakten und Fiktion changiert die Erzählung, die Sprache elegant zwischen Prosa, Poesie und Essay.

"Das kann Literatur. Das ist auch Kampf für die Sprache, die Verbindung von emotionaler und politischer und gesellschaftlicher Ebene" - und wie das alles in einer zunehmend globalisierten Welt auf die einzelnen Schicksale wirkt. - "Ich bin keine tschechische Autorin", betont Radka Denemarkova, "ich bin Autorin. Das ist Kampf mit der Einsamkeit und das Risiko, dass man alleine dasteht. Aber was zählt ist gute Literatur".

Service

Radka Denemarkova, "Ein Beitrag zur Geschichte der Freude", Roman, aus dem Tschechischen von Eva Profousova, Hoffmann & Campe
Originaltitel: "Příspěvek k dějinám radosti"

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