APA/HERBERT NEUBAUER
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In memoriam Hilde Zadek
Rund ein Vierteljahrhundert lang zählte Hilde Zadek zu den vielseitigsten und erfolgreichsten Sopranistinnen der Wiener Oper. Als äußerst geschätzte Pädagogin war die Zadek nach ihrem Rückzug von der Opernbühne aktiv. Letzte Woche ist sie im Alter von 101 Jahren verstorben.
30. März 2019, 02:00
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Seit Jahrzehnten war Wien ihre Wahlheimat, selbst wenn ihr aufgrund ihrer persönlichen Geschichte der Begriff Heimat ein wenig unheimlich schien. Nichtsdestoweniger aber war Wien das Zentrum ihrer künstlerischen Karriere. An der Wiener Staatsoper hat Hilde Zadek 1947 ihr ungewöhnliches Bühnendebüt gefeiert, wurde im Anschluss daran Mitglied des Hauses und blieb eines der wichtigsten Ensemblemitglieder für fast ein Vierteljahrhundert.
Emigration nach Palästina
Geboren wurde Hilde Zadek in Bromberg, am 15. Dezember 1917, das damals noch zu Deutschland gehört hat. Als die Stadt 1920 dann polnisch wurde, wanderte die (jüdische) Familie nach Stettin aus, wo sie ein Schuhgeschäft führte. Das ging natürlich nur so lange gut, bis die Nationalsozialisten das Ruder übernahmen.
Hilde Zadek ging also nach Palästina, absolvierte dort eine Ausbildung zur Säuglingsschwester und war nach einigen Jahren sogar in der Lage, ihre Eltern und ihre beiden jüngeren Schwestern nachkommen zu lassen, was in dieser Zeit ein äußerst schwieriges Unterfangen darstellte, der Familie aber das Leben gerettet hat. Gemeinsam betrieb man in Palästina schließlich ein Kinderschuhgeschäft, und ab 1940 studierte Hilde außerdem an der Musikakademie in Jerusalem.
Stipendium in Europa
Erste Schritte in Richtung Oper vermittelte ihr die legendäre Rose Pauly, die 1944 ebenfalls nach Palästina gekommen war. Nach Kriegsende versuchte Hilde Zadek ein Stipendium in Europa zu ergattern, was sie schließlich nach Zürich und zu Ria Ginster geführt hat, einer bedeutenden Konzertsängerin.
Filmreifes Schicksal
Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird ihre Geschichte filmreif, denn ein Brief, den sie aus Jerusalem mitgenommen hatte, für einen Mann, dessen Tochter in Zürich lebte, wurde ihr zum Schicksal. Diese Frau war nämlich zufällig das Patenkind von Franz Salmhofer, dem damaligen Direktor der Wiener Staatsoper im Theater an der Wien. Der kam schließlich im August 1946 nach Zürich, hörte sich die Gesangsschülerin (im Wohnzimmer!) an und versprach ihr daraufhin unverbindlich eine "Vorstellung auf Engagement".
So kam Hilde Zadek ohne jede konkrete Idee am 26. Jänner 1947 nach Wien, meldete sich bei Salmhofer, der sie fragte, ob sie die Aida singen könne, auf Italienisch, am 3. Februar und selbstverständlich ohne Probe? Natürlich, meinte sie selbstbewusst und verschwieg, dass sie erstens nicht die ganze Partie beherrschte und zweitens auch kein Wort italienisch sprach!
ÖNB
Hilde Zadek an der Wiener Staatsoper, 1956
Erfolgreiches Debüt
Es wurde trotzdem ein großer Erfolg, nicht zuletzt dank so prominenter Kollegen wie Elisabeth Höngen, Giuseppe Taddei, Ludwig Weber und vor allem Josef Krips am Pult.
Hilde Zadek war sofort ins eiskalte Wasser gesprungen und das sollte ihr noch viele Male bevorstehen. In ihren Erinnerungen schreibt sie, dass sie an der Wiener Staatsoper von diesem Debüt an bis zur Premiere von Menottis "Der Konsul" im März 1951 (gleichzeitig einer ihrer allergrößten Erfolge!) an keiner einzigen szenischen Probe teilgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt war sie im Übrigen schon eine international anerkannte Künstlerin und auch ihr Met-Debüt stand damals bereits unmittelbar bevor. Wer möchte da glauben, dass sie ihre allererste Oper überhaupt erst 1945 gesehen hat?
Bedeutende Pädagogin
Seit ihrem Rückzug von der Bühne war Hilde Zadek mit großem Engagement pädagogisch tätig, gab Meisterkurse und setzte vor allem durch die anlässlich ihres 80. Geburtstages gegründete "Hilde-Zadek-Stiftung" ein deutliches Zeichen: für den Nachwuchs im Besonderen und für die Kunstgattung Oper im Allgemeinen, der sie bis zuletzt in erster Linie mit Offenheit und Neugier und weniger mit verklärender Nostalgie verbunden geblieben ist.
Dieser Text ist eine adaptierte Fassung eines 2007 von Gottfried Cervenka geschriebenen Artikels.
Service
Vimeo – Die 94-jährige Hilde Zadek erzählt aus ihrem Leben.