ORF/ISABELLE ORSINI-ROSENBERG
Widerstandskämpferin
Irene Harand
Sie war eine politische Aktivistin und Widerstandskämpferin die den Kampf "gegen das Hakenkreuz" früher als viele andere aufgenommen hatte. In ihrer Heimat Österreich geriet sie rasch in Vergessenheit, aber von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wurde sie noch zu Lebzeiten als "Gerechte unter den Völkern" geehrt.
7. November 2019, 10:49
Irene Wedl wurde 1900 in Wien geboren und wuchs in einer mäßig reichen Familie auf. Der Besuch der französischen Schule endete für Irene bereits nach zwei Jahren. Zu einem Studium kam es nie. Sie heiratete den ehemaligen k.k-Hauptmann Frank Harand, der frommer Christ und nach dem Ersten Weltkrieg noch Monarchist war. Irene Harand starb 1975 in New York.
“Das Hakenkreuz bedeutet eine große Gefahr für die Menschheit. Das Hakenkreuz ist die größte Gefahr des Jahrhunderts. Wenn wir ihr begegnen wollen, müssen wir gerade die Waffen anwenden, die dem Hakenkreuz fremd sind: Idealismus und Opfermut, Vernunft und Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit.”
Zu Beginn ihres politischen Engagements wurde Irene Harand stellvertretende Obfrau im Kleinrentnerverband und gründete gemeinsam mit Zalmann 1930 die erste “Österreichische Volkspartei”, die bei den Wahlen im selben Jahr leider keinen Sitz im Nationalrat erreichen konnte (und auch nichts mit der ÖVP der Zweiten Republik zu tun hat).
Sofort nach der Abschaffung des Parlamentarismus im Jahr 1934 verfasste Harand eine erste, sehr persönliche Schrift “So? Oder so?”, mit der sich erstmals eine Nichtjüdin offiziell dem Aufstieg eines totalitären Regimes verweigerte und mit Fakten gegen nazistische Vorurteile argumentierte. Ab September 1933 gab Harand die für eine breite Masse ausgelegte Wochenzeitung “Gerechtigkeit” heraus, die antisemitische Mythen entlarvte und vor dem aufkommenden Nazi-Regime warnte. Der daraus resultierende “Weltverband gegen Rassenhass und Menschennot”, auch “Harand-Bewegung” genannt, organisierte Vorträge und Versammlungen und errichtete soziale Wohlfahrtsdienste, die sich um Bleiben für Obdachlose in den kalten Wintermonaten kümmerten.
1935 erschien dann im Eigenverlag, da sich die großen Verlage fürchteten eine solche Gegenschrift zu publizieren, mit “Sein Kampf. Antwort an Hitler” ein Plädoyer für Rassentoleranz. Harands Buch wurde sofort auf die Liste verbotener Bücher gesetzt. Mit Reisen nach Frankreich, England, Belgien, Schweden, Frankreich, Dänemark, Norwegen, in die Niederlande und sogar in die Vereinigten Staaten versuchten Harand und Zalmann international zur Vernunft aufzurufen.
Schlussendlich übernahm Harand von den verbotenen Sozialdemokraten einen Chor, bestehend aus militanten Antifaschisten und jungen Frauen und Männern, von denen viele jüdisch waren. Ihre politischen Konzerte waren in aller Munde.
Zum Zeitpunkt des Anschlusses an das Deutsche Reich hielt sich Harand gerade in England auf, von wo aus sie in die USA fliehen konnte. Dort gründete sie die “Austrian-American League”, die neu aus Europa ankommenden Geflüchteten unterstützen sollte, und wurde Direktorin der Frauenabteilung der “Anti-Nazi League” von New York.
1969 wurde Harand die Yad Vashem Medaille verliehen und “in die Allee der Gerechten” der israelischen Holocaust-Gedenkstätte aufgenommen.
“Wir wollen, dass Lebensmittel nicht mehr vernichtet werden und dass Menschen nicht mehr verhungern. Wir wollen, dass die Unsicherheit der Existenz verschwinde und dass das Existenzminimum allen Menschen unterschiedslos gesichert werde.”
“Ich bitte Sie in aller Aufrichtigkeit, ohne bösen Hintergedanken darüber nachzudenken, wieviel unmenschliches Leid Hunderten von Millionen Menschen auf der ganzen Welt erspart geblieben wäre, wenn statt Mein Kampf von Adolf Hitler mein Buch die Grundlage der Politik des zwanzigsten Jahrhunderts in Europa gebildet hätte. Ich bin scham- und gramgebeugt und habe heute noch bittere Schuldgefühle, dass ich nicht so stark, nicht überzeugend, nicht fleißig, nicht energisch und nicht klug genug war, zu verhindern, dass Zehntausende von Christen in Deutschland und in Österreich zu gemeinen Raubmördern geworden sind und dass so viele meiner jüdischen Mitmenschen die Opfer dieser Mörder wurden.”
“Es ist kein Zweifel, dass die Welt krank ist. Wenn in unserer Menschengemeinschaft möglich ist, dass man Weizen verbrennt, Baumwolle vernichtet, Kaffee und sonstige Herrlichkeiten in das Meer wirft, die Anbauflächen verringert, Betriebe sperrt, während Hunderte Millionen von Menschen hungern, so ist es zweifellos, dass irgendein Fehler in dem Mechanismus der Weltwirtschaft besteht, der entdeckt und beseitigt werden müsste. Ich habe viel über die Sache nachgedacht und bin zur Überzeugung gekommen, dass das Problem der gerechten und vernünftigen Verteilung der Güter dieser Erde nicht unlösbar ist, wenn man den guten Willen aufbringt, auch denjenigen Menschen das Recht auf Leben zuzubilligen, die nicht mit Glücksgütern gesegnet sind.”
“Ich glaube, den Beweis erbracht zu haben, dass die Bestandteile der Erbmasse der heutigen Juden, die ihre Urahnen auf sie übertragen haben, keineswegs als minderwertig angesehen werden können. Wenn man eine Wertung der heutigen Juden unter der Lupe der Geschichte und der Wissenschaft vornimmt, so kommt man zu völlig anderen Ergebnissen als das Hakenkreuz, das die Lüge als Hauptwaffe benützt.”
“Der Zweck dieser Arbeit ist, die breiten christlichen Massen von der Verlogenheit der nationalsozialistischen Lehre zu überzeugen und die Wege zu zeigen wie die Welt sich der fürchterlichen Gefahr, die der deutsche Nationalsozialismus verkörpert, erwehren kann.”