Oskar Kokoschka, Selbstbildnis, eine Hand ans Gesicht gelegt, 1918/19 (Ausschnitt)

LEOPOLD MUSEUM WIEN/FOUNDATION OSKAR KOKOSCHKA/VBK WIEN 2013

Ausstellung

Kokoschka - Expressionist, Migrant, Europäer

Das Wiener Leopold Museum widmet Oskar Kokoschka eine umfassende Retrospektive mit rund 260 Exponaten. Kokoschka, der von 1886 bis 1980 lebte, wird als radikaler Erneuerer und Multitalent präsentiert - als Maler, Zeichner, Druckgrafiker, Literat, Dramatiker und Theatermacher.

Mittagsjournal | 04 04 2019

Sabine Oppolzer

Selbstbildnis als „entarteter Künstler“, 1937

Oskar Kokoschka, Selbstbildnis als "entarteter Künstler", 1937

Als überzeugter Europäer wird Oskar Kokoschka in dieser Ausstellung präsentiert. Hans Peter Wipplinger, der Direktor des Leopold Museums beschreibt ihn als Kosmopoliten, der in den 1920er Jahren um die Welt reiste, um sich selbst zu finden und dann später 30 Jahre lang vor den Nazis auf der Flucht war. Er sollte nie wieder in Österreich Fuß fassen.

1933 nach Prag emigriert und später nach London, beginnt Kokoschka antifaschistische Texte zu schreiben und wird in Exilantenkreisen zur Identifikationsfigur. Ein Film der damaligen Wochenschau - in der Ausstellung an die Wand projiziert - erinnert an Kokoschka als "entarteten Künstler". Sein Selbstbildnis aus dieser Zeit zeigt ihn mit trotzigem Gesicht.

Schonungslose Darstellung des Menschlichen

Ein Schwerpunkt der Schau liegt auf den frühen Zeichnungen und Aquarellen von Oskar Kokoschka, in denen sich bereits abzeichnet, dass für ihn Körper Abbildungen des inneren Wesens der Menschen waren.

Als "Seelenschlitzer" wurde Kokoschka bezeichnet, es hieß, er male das "innere Gesicht" der Menschen, wie Kuratorin Heike Eipeldauer sagt, waren seine Porträts so visionär, dass die Porträtierten sich oft erst 20 Jahre später erkannten. Seine Darstellungen waren tiefgründig und schonungslos.

Loos fördert Kokoschka mit "Ausfallshaftung"

In Wien gehörte Kokoschka zum Kreis der Intellektuellen um Arnold Schönberg, Peter Altenberg und Adolf Loos. Besonders Loos nahm ihn unter die Fittiche, da ihn Kokoschkas Abkehr von der Oberflächenverliebtheit des Jugendstils begeisterte. Die beiden hatten eine Vereinbarung, die in der Kunstwelt ihresgleichen sucht - sie hatten eine "Ausfallshaftung".

Adolf Loos, 1909

Oskar Kokoschka, Adolf Loos, 1909

bpk/Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin/Roman März

Das heißt, wenn ein Porträt Kokoschkas nicht gekauft wurde, weil der Auftraggeber sich darauf nicht erkennen konnte oder wollte, so kaufte Adolf Loos das Kunstwerk. Auf diese Weise gelangte er nach kurzer Zeit zu einer umfassenden Sammlung von Werken Oskar Kokoschkas.

Zerstörerische Leidenschaft

Besonders berührend ist das Gemälde von Lotte und Walter Stein, zwei kindlichen Geschwistern, die einander sehr liebevoll zugetan scheinen - die verkrampften Hände erzählen aber von unterschwelliger Eifersucht und Gewalt. Das Bild löste einen Skandal aus.

Oskar Kokoschka, Spielende Kinder, 1909

Oskar Kokoschka, "Spielende Kinder", 1909

Lehmbruck Museum, Duisburg/Bernd Kirtz

Dieselbe vordergründige Harmonie gekoppelt mit impulsiver Ablehnung vermittelt auch das Gemälde, das Oskar Kokoschka mit seiner Geliebten Alma Mahler-Werfel zeigt. Die beiden verband eine zerstörerische Leidenschaft, aus der sich Alma bald löste.

Die lebensgroße Puppe als Gefährtin

Kokoschka ließ sich in seiner Trauer die Geliebte als lebensgroße Puppe von der Künstlerin Hermine Moos nachbauen und nahm sie auf Kutschenfahrten und in seine Theaterloge mit. Wie Kuratorin Heike Eipeldauer sagt, sei das allerdings nicht bewiesen. Sie sagt "Kokoschka war ein begnadeter Selbstmystifizierer und letztlich auch Mann des Theaters. Er behauptete zwar immer wieder, dass er mit dieser Puppe wie mit einer Gefährtin ausging, tatsächlich gibt es aber nur den Bericht einer Freundin, der besagt, dass die Puppe einmal bei einem Besuch in Kokoschkas Wohnung wie die Hausherrin am Sofa gesessen habe." Fotos der Puppe und eine Rekonstruktion des von Oskar Kokoschka zu Lebzeiten selbst zerstörten Originals sind hier zu sehen.

Farbexplosion im Spätwerk

In dieser Retrospektive lernt man Oskar Kokoschka in vielen neuen Aspekten kennen und ist überrascht von den Farbexplosionen seines Spätwerkes, das die Generation der Neuen Wilden in den frühen 1980ern massiv beeinflusste. Immerhin starb Kokoschka erst 1980 im Alter von 94 Jahren und schuf noch in den 1970er Jahren überzeugende Gemälde wie "Peer Gynt" oder "Der verschmähte Liebhaber", die hier erstmals nach seinem Tod zu sehen sind. Jahrzehntelang waren sie durch einen Erbstreit blockiert. Sie erzählen von humorvoller Gelassenheit, ja Heiterkeit des 80-jährigen Kokoschka.

Service

Die Ausstellung "Oskar Kokoschka - Expressionist, Migrant, Europäer" im Leopold Museum ist vom 6. April bis zum 8. Juli 2019 zu sehen.

Gestaltung