Dusty Springfield, 1965

AP/RAOUL FORNEZZA

Spielräume spezial

The White Queen of Soul

"Spielräume spezial" über die britische Pop- und Soulsängerin Dusty Springfield.

Auf dem Albumcover hält sich die Sängerin die Hände vor das Gesicht. Ihr Ausdruck ist der ungläubigen Staunens: Wie habe ich das geschafft? Ich bin bei demselben Plattenlabel unter Vertrag wie die "Queen of Soul", Aretha Franklin! Und ich habe in Memphis, einem der mythischen Entstehungsorte des Blues, Rock 'n' Roll und Soul, ein Album aufgenommen!

Vor ziemlich genau 50 Jahren wird das wahrscheinlich beste Album von Dusty Springfield auf dem Label Atlantic Records veröffentlicht: "Dusty in Memphis". Springfields sehr elegante Verbeugung vor afroamerikanischem Soul und Rhythm & Blues ist allerdings gar nicht so entspannt und mühelos, wie der Tonträger letztendlich geklungen hat.


Mary Isabel Catherine Bernadette O’Brien hätte am 16. April ihren 80. Geburtstag gefeiert. Die Popwelt kennt die vor 20 Jahren verstorbene Sängerin unter ihrem Künstlernamen, Dusty Springfield. Ich habe die Sängerin als Gast auf der Single "What Have I Done to Deserve This der Pet Shop Boys" zum ersten Mal bemerkt. Im Video singt eine etwas überwuzelt wirkende, stark geschminkte Dame im Glitzersakko mit Schulterpolstern den Refrain zu diesem globalen Pophit aus dem Jahr 1987.

Dusty in Memphis

Die Stimme findet der ignorante Teenager allerdings schon damals toll. Zum Dusty-Fan werde ich dann ausgerechnet im Kino: Im Quentin-Tarantino-Film "Pulp Fiction" hinterlässt ihre Version von "Son of a Preacher Man" den Wunsch, die Chanteuse musikalisch näher kennenzulernen. Dieser Song stammt von dem legendären Albums "Dusty in Memphis".


Mitte der 1960er Jahre ist Dusty Springfield ein Star in England - aber nicht wirklich zufrieden mit ihrer Musik. In ihrer eigenen Fernsehsendung stellt sie der englischen Bevölkerung die Musik vor, die sie liebt: Die Stars des Motown-Labels - sie sind zu Gast bei Dusty. Sie singt zusammen mit Soul-Legende Martha Reeves. Bemerkenswert wie Springfields Stimme ist auch ihr damaliger Kleidungsstil: lange, elegante Abendkleider, lange Fingernägel, viel Mascara und Schmuck, auftoupierte Haare. Mit ihren ausladenden, dramatischen Gesten ist sie so etwas wie die erste Diva des Pop.

Dusty Springfield

AP

Dusty Springfield, 1964

Topteam für die Aufnahmen

Angestachelt vom Lob ihrer afroamerikanischen Kolleginnen und Kollegen will die oft mit Selbstzweifeln kämpfende Dusty Springfield ein ganzes Rhythm-&-Blues-Album aufnehmen und unterschreibt dafür bei Atlantic Records. Für die Aufnahmen in Memphis stellen ihr die Label-Chefs ein Topteam zur Seite: erfahrene Musiker, die davor schon mit Elvis Presley und Wilson Pickett gearbeitet haben. Aber aus allen Songs, die ursprünglich für das Album aufgenommen werden, wählt sie keinen einzigen aus.

Mit ihrer sanften, sinnlichen Stimme und ihrem perfekten Timing könnte sie eigentlich aus dem Telefonbuch singen, aber sie ist einfach nicht zufrieden. Denn zum ersten Mal in ihrer Karriere gibt sie die Produktion aus der Hand. Bei all ihren Alben zuvor hat sie selbst den Ton im Studio angegeben, nur die Credits dafür nie eingefordert. Erst die nächsten 20 Songs finden ihre Gnade - um dann ihre Gesangsspuren letztendlich doch in New York aufzunehmen.

Eines der besten Alben der 1960er Jahre

Dusty Springfield hat nie versucht, "schwarz" zu klingen. Anders als Aretha Franklin, die über jedem einzelnen Ton steht, singt sie auf eine einzigartige Weise um die Worte herum. Ihre sanfte, sinnliche Stimme wirft einen nicht um - sie ergreift einen. "Dusty in Memphis" ist zunächst ein kommerzieller Flop. Erst Jahre später entdecken Musikliebhaber/innen und Kritiker/innen das Album und stellen es dorthin, wo es hingehört: zu den besten Alben der 1960er Jahre.

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