Seemöwe, im Hintergrund: Rom

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Bora Cosics Reisen in Italien und Österreich

Bora Cosic gilt als einer der bedeutendsten serbischen Schriftsteller. Der heute 87-jährige Autor hat mit 60 Jahren Belgrad, seine serbische Heimat, aus Protest gegen das Milosevic-Regime verlassen und gegen das kroatische Rovinj als Wohnsitz getauscht.

Nach den Jugoslawienkriegen gehörte er zu den schärfsten Kritikern der Serbien-freundlichen Haltung seines Schriftsteller-Kollegen Peter Handke. Cosic hat mehrere Preise erhalten, darunter den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2002. Der Folio-Verlag hat nun zwei Texte von Bora Cosic unter dem Titel "Immer sind wir überall – Reisen in Italien und Österreich" herausgebracht.

Assoziationssprünge

Von "Immer sind wir überall" darf man keinen üblichen Reisebericht erwarten, der Autor nimmt den Aufenthalt in der Fremde, die ihm immer wieder Vertrautes zuträgt, zum Anlass für Assoziationssprünge, höchst persönliche Interpretationen, für ein intellektuelles Spiel von Interdependenzen.

In Rom setzt sich Cosic auf die Spuren seines Schriftstellerkollegen und Landsmanns Milos Crnjanski, der im diplomatischen Dienst seiner Heimat in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der italienischen Hauptstadt gelebt hatte. Er habe im Geist der kulturellen und künstlerischen Verwandtschaft über Italien geschrieben, sagt Cosic, und diese Tradition wolle er mit seinem eigenen Werk fortsetzen. Wörtlich hält er Crnjanski für einen der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, auch wenn er in unseren Breiten praktisch unbekannt ist. Immer wieder zitiert Cosic aus Crnjanskis Werk "Hyperborea".

Lohnende Lektüre

Milos Crnjanski ist es auch, der als Person die Klammer für beide Teile von Cosic Buch bildet. In jedem wird der serbische Dichter mit großer Hochachtung zitiert. Im Übrigen hängen die beiden Prosatexte nicht zusammen, außer durch den etwas weitläufigen Titel des Buchs "Immer sind wir überall". Darin liegt allerdings ein Schönheitsfehler dieses Werks von Cosic.

Es handelt sich nämlich dabei um nichts originär Neues: Die "Italienreise" wurde als Essay bereits 2014 in "Lettre international" veröffentlicht, der "Donaubaedeker" sogar noch zwei Jahre früher im selben Medium. Nicht, dass man dem Buch das Alter seiner Texte anmerken würde, doch haftet ihm der Verdacht von Resteverwertung an. Nichtsdestoweniger lohnt die Lektüre, etwa wenn Cosic eine bildreiche Beschreibung des Hotels Wolfinger in Linz abgibt.

Bora Cosic findet noch einige andere Parallelen zu seiner Heimat auf der Reise durch das Donautal, mitten in den Weingärten. Die Drähte, an denen die Trauben reifen, sind für ihn wie Telegrafenleitungen über Grenzen hinweg, die Menschen auch über größere Distanz gleich handeln, empfinden, kurzum ihr Leben ähnlich führen lassen.

Buchumschlag

FOLIO VERLAG

Grenzenlos

Bora Cosic wendet sich strikt gegen jedes Ziehen von Grenzen. Lustvoll springt er in seinen beiden Texten über Italien und das österreichische Donautal über von Staaten gezogene Trennlinien, aber auch kreuz und quer durch Epochen, den verbindenden Ideen verpflichtet statt trennenden Nationalismen.

Irritierend wirkt mitunter, wenn Bora Cosic vom letzten oder "unserem" Krieg schreibt und unsereins reflexartig an den Zweiten Weltkrieg denkt, während der Autor jenen in seiner Heimat meint. Die es seither so nicht mehr für ihn gibt. Weder als Jugoslawien noch als Serbien im Speziellen. Er habe dort nichts mehr zu tun, so der Schriftsteller, außer, dass dort seine Kinder leben. Das sei das Einzige, was ihn noch mit dem Land verbindet, denn die Politiker hätten dort eine Situation verursacht, dass er sich einfach nicht mehr wohl fühle.

Vielleicht ist Bora Cosic deshalb heute so etwas wie ein Weltbürger. Stets auf Reisen in einer größeren Heimat, in der alles miteinander zusammenhängt und miteinander zu tun hat. Über Zeit und Raum hinweg.

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Bora Cosic: "Immer sind wir überall – Reisen in Italien und Österreich", Folio Verlag

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