Konrad Pesendorfer

SEBASTIAN PHILIPP

Die Macht der Zahlen

Statistiker Pesendorfer "Im Gespräch"

"Die Macht der Zahlen" - Renata Schmidtkunz im Gespräch mit Konrad Pesendorfer

"In einer Welt, die von überaus lautstarken Meinungsäußerungen geprägt ist und in der das reißerischste Posting oder der verwegenste Tweet die Gemüter politisch sensibler Menschen in atemberaubender Geschwindigkeit in Aufregung versetzen kann, erlangen nüchtern vorgetragene Fakten und äquidistante Verweise darauf, wie sich bestimmte Phänomene in der Realität quantitativ darstellen, wieder an Attraktivität", bilanziert Konrad Pesendorfer, der für die Fachstatistik zuständige Generaldirektor der Statistik Austria, im Vorwort des 2018 im Falter-Verlag erschienenen Buches "Zahlen, bitte! - Was Sie schon immer über Österreich wissen wollten".

Opposition zu liberalen Thinktanks

All jenen, die dem ehemaligen Kabinettsmitarbeiter des SPÖ-Bundeskanzlers Werner Faymann - der ihn dann auch zum Generaldirektor ernannte - parteiliche Befangenheit vorwerfen, antwortet Pesendorfer gelassen: "Welche politische Ausrichtung dem Forum zugemessen wird, das eine faktuelle Darstellung bestimmter Themen, die die Menschen interessieren und bewegen, zulässt, ist aus meiner Sicht sekundär." Pesendorfer verortet das staatliche Statistikinstitut in Opposition zu den lobbyfinanzierten ökonomisch liberalen Thinktanks, die seit Jahren sowohl bei der EU in Brüssel und Straßburg als auch in den Regierungen der nationalen Mitgliedstaaten aktiv sind.

Funktionierende Demokratie

Der 1969 in Wien geborene Doktor der Wirtschaftswissenschaft und Vorsitzende des OECD Committee on Statistics and Statistical Policy wird nicht müde zu betonen, wie wichtig das statistische Amt der Republik Österreich für die funktionierende Demokratie ist. Die Statistik Austria erstellt ihre Studien nicht aus eigener Initiative, sondern im Auftrag eines amtierenden Ministers bzw. einer Ministerin. Die Veröffentlichung der Ergebnisse ist - nun unabhängig vom Ministerium - verpflichtend und der Zeitpunkt gesetzlich festgelegt.

Gebührenfrei einsehbar

Es gibt immer wieder Regierungen, denen das nicht gefällt. Besonders dann nicht, wenn die statistischen Daten politische Versprechungen entkräften oder gar ad absurdum führen. Die meisten der auf der Website des Instituts veröffentlichten Studien sind für die Allgemeinheit gebührenfrei einsehbar. Sie sind ein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger, aufgrund der Daten vernunftbasierte politische und gesellschaftliche Entscheidungen zu treffen.

Trost den Kulturpessimisten

Im Gespräch mit Renata Schmidtkunz geht der ehemalige Universitätslektor und Co-Vorsitzende des International Comparison Program Governing Board der Weltbank der Frage nach, ob die Welt wirklich so schlecht ist, wie man oft glaubt. Zwar greifen populistische Politiker/innen gern auf hetzerische Argumente und eine Rhetorik der Angst zurück, doch oft sprechen nüchterne Zahlen und Daten für sich und gegen sie. In diesem Sinne spendet Pesendorfer allen Kulturpessimisten unter uns Trost: Sieht man sich konkrete Studien genauer an, so erkennt man, dass Österreich EU-weit oft zu den Spitzenreitern gehört und wir uns doch einmal auf unseren Lorbeeren ausruhen dürfen.

Konrad Pesendorfer plädiert für eine evidenzbasierte Politik. Das ist die pragmatische Form der Politikführung, die im Gegensatz zur ideologiegeleiteten Politik erkennt, welche Probleme wirklich vorliegen und wie man diese effektiv lösen kann.

Text: Birgit Allesch